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18. September 1820: Die wissenschaftliche Vermessung des Königreichs beginnt

(SSG) Schon gewusst? Am 18. September 1820, vor genau 200 Jahren, begann Johann Gottlieb Friedrich von Bohnenberger mit der wissenschaftlichen Vermessung Württembergs am Schloss Soltitude oberhalb von Weilimdorf.

Im Beisein König Wilhelms I. von Württemberg bestimmte er die Länge der sogenannten „Basislinie Solitude-Allee“. Die Solitude eignete sich besonders für das innovative, moderne Vorhaben der Landesvermessung: 1764 bis 1768 hatte Herzog Carl Eugen von dort bis zum Residenzschloss Ludwigsburg eine schnurgerade Allee errichten lassen. Noch heute erinnert eine Gedenktafel auf Schloss Solitude an das Mammutprojekt der Landesvermessung vor exakt 200 Jahren.

DIE MODERNISIERUNG EINES KÖNIGREICHS_

Vor genau 200 Jahren, am 18. September 1820, begann Professor Johann Gottlieb Friedrich von Bohnenberger mit der exakten Vermessung einer „Basislinie“ bei Schloss Solitude. Für die Landesvermessung brauchte der Tübinger Gelehrte eine schnurgerade Linie mit freier Sicht. Die Solitude-Allee bot hierfür die besten Bedingungen im ganzen Land. Auf direktem Weg führt die 1764 bis 1768 angelegte Allee vom Lustschloss zum Residenzschloss Ludwigsburg. Das Vorhaben der Landesvermessung ging auf niemand Geringes als den König selbst zurück. Wilhelm I. von Württemberg war der „Reformer auf dem Königsthron“. Wie kein Zweiter steht er für den Aufbruch Württembergs in die Moderne. Seine Maßnahmen und Reformen waren wegweisend und veränderten sein Land. Ein Meilenstein war die Landesvermessung.

__DIE VERMESSUNG WÜRTTEMBERGS GILT BIS HEUTE__

In der Folge der Politik Napoleons hatte sich die Fläche Württembergs innerhalb weniger Jahre mehr als verdoppelt. Anstelle der vielen unterschiedlichen Grundstücksverzeichnisse sollte nach dem Willen König Wilhelms I. ein einheitliches „Kataster“ für ganz Württemberg geschaffen werden. Am 25. Mai 1818 ordnete er daher an, das Königreich nach den modernsten wissenschaftlichen Methoden der Zeit zu vermessen. Die Landesvermessung war ein wahres Mammutprojekt: Bis 1840 – insgesamt 22 Jahre – dauerten die Arbeiten, die zusammen rund 40% eines damaligen Jahreshaushalts des Königreichs Württemberg kosteten. Doch die Arbeit zahlte sich aus: Auf der Grundlage der Landesvermessung konnte sowohl sinnvoll als auch transparent die Grundsteuer erhoben werden. Bis heute basiert das Liegenschaftskataster-Informationssystem auf den damals erhobenen Daten.

__EIN TÜBINGER GELEHRTER__

Mit der wissenschaftlichen Leitung des Großprojekts wurde ein württembergischer Gelehrter beauftragt, der Tübinger Professor Bohnenberger. 1765 in Simmozheim geboren, studierte er wie sein Vater Theologie. Seine Leidenschaft waren jedoch die Naturwissenschaften. 1798 wurde er Professor der Mathematik an der Tübinger Universität. 1803 richtete man ihm im Schloss Hohentübingen eine Wohnung ein. Von hier aus forschte er und leitete die württembergische Landesvermessung. Bohnenberger starb 1831 in Tübingen.

__DIE BASISLINIE__

Der Ausgangspunkt der Landesvermessung sollte bei Stuttgart sein. Die schnurgerade Solitude-Allee zwischen dem Schloss Solitude und Ludwigsburg schien hierfür ideal. Ihr Anfang in der Höhenlage der Solitude trug dazu bei, dass sich die Vermesser bei der erstmaligen Erfassung und genauen Beschreibung aller Flurstücke, Gebäude und topografischen Objekte an der Chaussee orientierten. Um die Messung international vergleichbar zu machen, bestellte Bohnenberger 1818 eine Kopie der „Toise du Pérou“ in Paris. Diese war ein exakt geeichter Eisenstab, der für die bahnbrechende französische Erdmessung in Peru verwendet worden war. Doch die Lieferung des bestellten Eichgerätes verzögerte sich. Um die Landesvermessung jedoch nicht weiter aufzuschieben, wurde statt der Solitude-Allee nun zunächst eine „Hilfsbasislinie“ bei Tübingen gemessen.

__DER BEGINN DER EXAKTEN MESSUNG__

Am 18. September 1820 – die „Toise du Pérou“ war nun endlich eingetroffen – begann Bohnenberger die Messung im Beisein von König Wilhelm I. Knapp drei Wochen später, am 12. Oktober, erreichte er den Endpunkt in Ludwigsburg. Doch zu seiner Überraschung gab es ein schwerwiegendes Problem. Die tatsächlich gemessene Gerade war wenige Meter kürzer als die vorab errechnete Länge. Bohnenberger kombinierte rasch: Bei der Messung der „Hilfsbasis“ bei Tübingen hatte man mit falsch geeichten Instrumenten gearbeitet; seine schlimmsten Befürchtungen bestätigten sich. Alle bis dahin vorgenommenen Messpunkte hätten nun neu bestimmt werden müssen – doch der Tübinger Gelehrte wusste sich zu helfen. Bohnenberger führte kurzerhand eine neue Maßeinheit, den „Landesvermessungsschuh“, ein. Durch mathematische Kniffe gelang es ihm, die bis dahin erhobenen Daten weiterverwenden zu können. Eine spätere Gegenkontrolle verlief dann zur vollen Zufriedenheit – nur eine kleine Ungenauigkeit von wenigen Zentimetern verblieb. Die Fachwelt bewunderte die Präzision der Messung.

__DER BLICK VON DER SOLITUDE

Die Spuren der damaligen Landesvermessung lassen sich noch heute an Schloss Solitude und in Ludwigsburg entdecken. An den jeweiligen Enden der genau 13.032,14 Meter langen Gerade – unter dem Hauptbau der Solitude und an der Ecke Solitudeallee und Köhlstraße in Ludwigsburg – findet man Denkmäler, die an die bahnbrechende württembergische Landesvermessung erinnern. Von der Gedenktafel der Solitude aus kann man den Blick nach Ludwigsburg schweifen lassen – wie Professor Bohnenberger vor exakt 200 Jahren.

_BILDNACHWEIS: Gedenktafel für die württembergische Landesvermessung 1820 an der Solitude. Fotorechte: Wikimedia, Creative Commons Aufnahme: Nutzer „MSeses“.

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