Regionalplan zur Festlegung von Windkraftanlagen im Bezirksbeirat 24.01.24, Foto GOEDE

Regionalplan zur Festlegung von Windkraftanlagen im Bezirksbeirat

(RED) Es war ein unscheinbarer Tagesordnungspunkt des Bezirksbeirat Weilimdorf am Mittwoch, 24. Januar 2024: „Regionalplan Änderung Windkraft – Bericht“. Was folgte war eine lange Diskussion, die eigentlich seit 2015 als beendet galt: Windräder zwischen Weilimdorf und Feuerbach.

Am 30. September 2015 galt die Diskussion um Windkraftanlagen im „Tauschwald“, dem Bergrücken zwischen Weilimdorf und Feuerbach als „ad acta“ gelegt (weilimdorf.de berichtete, siehe www.weilimdorf.de/nachricht/keine-windraeder-im-tauschwald/ bzw. www.weilimdorf.de/nachricht/bezirksbeiraete-nehmen-windraedern-den-wind-aus-den-segeln/). Der Ukrainekrieg und die Gaskrise wie die Festschreibung der Energiewende haben dazu geführt, dass den südlichen Bundesländern der Energiespiegel vor die Nase gehalten wurde: Zu lange wurde auf billiges Gas aus Russland gesetzt, der Wandel der Energieversorgung hin zu regenerativer Erzeugung nur schleppend voran getrieben. Bayern und Baden-Württemberg sind Schlusslicht vor allem was Windkraft angeht – obwohl es mehr als genug Gebiete und Regionen gibt, Windkraftanlagen zu installieren.

„Windenergieflächenbedarfsgesetz“ (WindBG)

Im Zuge der Energiewende wurde das am 1. Februar 2023 in Kraft getretene Bundesgesetz „Windenergieflächenbedarfsgesetz“ (WindBG) auch in Baden-Württemberg zur Umsetzung zwingend, dass festlegt, wieviel Fläche für Windkraftenergiegewinnung zur Verfügung stehen muss. Demnach müssen bis zu 31. Dezember 2032 in Baden-Württemberg 1,8% der Landesfläche dafür ausgewiesen werden. Zum Vergleich: In Schleswig-Holstein müssen es 2% werden, in Mecklenburg-Vorpommern 2,1%, in Niedersachsen 2,2%. Aktuell stehen in Schleswig-Holstein auf 1,3% der Flächen Windräder. In Baden-Württemberg waren es 2022 gerade mal 0,2%.

bis zu 2,6% Fläche in der Region für Windkraft möglich

Dr. Hermann-Lambert Oediger, Leiter der Abteilung Stadtentwicklung bei der Landeshauptstadt, stellte eben die neuen Planungen zur Ausweisung der Flächen für Windenergieanlagen in der Region Stuttgart dem Bezirksbeirat vor. Datenrgrundlage und Voraussetzung für Vorranggebiete sind eine Windhöffigkeit von 215 Watt je Quadratmeter in 160 Meter Höhe über Grund. In Baden-Württemberg wären dies sogar stolze 34 Prozent der Landesfläche, an denen Windenergie „gewinnbringend“ produziert werden könnte. Doch nicht überall können Windkraftanlagen aufgestellt werden, es gelten Mindestabstände zu Wohngebieten sowie Kulturgütern, ebenso Einschränkungen durch Arten- und Naturschutz. In der Region Stuttgart haben sich nach neuesten Untersuchungen und Windmessungen immerhin 2,6 Prozent der Fläche als mögliche Vorranggebiete für das Aufstellen von Windrädern herauskristallisiert. Im Stadtgebiet Stuttgart wurden vier Vorranggebiete ermittelt – was letztlich aber nur 0,5 Prozent des Stadtgebiets entspricht. Entsprechend ist unbestritten vorgesehen, auf dem Grünen Heiner in Weilimdorf das Windrad gegen eine neue Anlage mit einer Leistung von 4 Megawatt auszutauschen (das aktuelle Windrad hat lediglich eine Leistung von maximal 600 Kilowatt).

Weitere mögliche Vorrangflächen auf Stuttgarter Gemarkung sind der Sindelfinger Wald – und eben der Tauschwald zwischen Weilimdorf und Feuerbach. 2015 wurden diese Standorte abgelehnt: vor neun Jahren wurden der Arten- und Naturschutz zum Fallstrick der ökologischen Stromgewinnung. Der Regionalplan hat neben dem Standort nahe der „Dischinger Burg“ auch den „Sandkopf“ auf dem Höhenzug etwas weiter westlich als möglichen Standort ausgemacht. Weiterhin bestehen Bedenken für diese Standorte mit Hinweis auf Beeinträchtigung der Sichtachsen des Schloss Solitude sowie Beeinträchtigung des dortigen Waldrefugiums. „Aus imissionsschutzrechlicher Sicht ist der Standort lösbar“, so Oediger zum Bezirksbeirat. Die Abstände der Windräder seien weit größer als die gesetzlich erforderlichen 800 Meter: Nach Weilimdorf wären es 900 Meter Mindestabstand, nach Botnang 1100 Meter, nach Feuerbach gar 1200 Meter.

Tauschwaldstandort wird kritisch gesehen

Die Bezirksbeiräte zeigten sich in der anschließenden Diskussion darüber irritiert, dass die Standorte im Wald nun neuerlich zur Diskussion ständen, obwohl 2015 abgelehnt: „Es hat sich doch seit 2015 hier nichts geändert. Die vorgelegten Daten und Fakten ergeben keine Änderungen zu den Unterlagen von früher“, reklamierte Stephan Gier (CDU).

Barbara Graf (GRÜNE) hingegen begrüßte die Planungen: „Der Klimawandel hat nun Vorrang. Die Entwicklung des Regionalplans ist gut, die Effizienz der Windräder hat sich seither deutlich verbessert. Auch wenn der NABU damals dagegen war – heute ist die Sachlage anders. Inzwischen ist bekannt dass 100 Millionen Vögel im Jahr durch Glasscheiben sterben, Windräder liegen im Vergleich auf dem letzten Rang mit gerade mal 100.000 toten Vögeln“. Einschnitte würde es definitiv geben, sowohl für den Wald, wie für die Naherholung. Doch letztlich müsse die Energie für die Wirtschaft und Betriebe am Ende ja irgendwo herkommen – und verweist darauf, dass der NABU inzwischen seine Meinung geändert habe und den neuen Regionalplan in der aktuellen Fassung gar empfehle.

Auch Dieter Benz (SPD) sprach sich für Windräder aus: „Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, sollten wir auch was tun. Die Stadt macht es sich aber einfach, zieht einfach alte Unterlagen raus, gibt es denn wirklich keine neuen Gebiete?“ Benz regte auch an, den Ausbau der Photovoltaik weiter und schneller zu forcieren.

Jürgen Raiser (Freie Wähler) kritisierte: „Der Schaden für den Tauschwald ist größer als der Nutzen. Damals hat der NABU doch gegen die Windräder votiert. Auch stellt sich die Frage nach dem Denkmalschutz für das Steinsträßle, die alte Römerstraße.“

Auf Antrag von Carmen Hanle (FDP) wurde zudem Wolfgang Völker von der Initiative „Pro Tauschwald e.V.“ ein Rederecht im Gremium gewährt. Völker kritisierte, dass die Stadt ohne Not die Umsetzung zum Bau der Windräder vorantreibe, die Abholzung im Tauschwald bliebe dauerhaft, wie auch Zufahrtsstraßen für Feuerwehr und Wartung der Windräder. Das Gebiet würde nachhaltig geschädigt: „16.000 Tonnen Beton je Anlage würden in das Erdreich eingebracht werden, zudem handelt es sich hier um ein hochkarätiges Naherholungsgebiet, die Natur ist intakt. Es gibt keine Rechtfertigung für den Bau von Windrädern an dieser Stelle!“.

Peter Hanle (SÖS) merkte an, dass hier ein massiver Eingriff in die Natur erfolge, fügte aber auch an, dass inzwischen bekannt sei, dass die Vögel sich an Windräder gewöhnen würden.

Mark V. Dürr (AfD) fügte hinzu, dass das Gebiet für seine Fledermauspopulation bekannt sei. Dem fügte Oediger an, dass Fledermäuse kein Ausschlusskriterium für Windräder seien.

Am Ende wurde die Beschlussvorlage zur “Teilfortschreibung des Regionalplans für die Region Stuttgart zur Festlegung von Vorranggebieten für regionalbedeutsame Windkraftanlagen” abgestimmt. Während der erste Teil des Beschlussantrags, dass von diesem Kenntnis genommen werde, einstimmig über die Bühne ging, war beim zweiten Teil, dass die Stadtverwaltung beauftragt wird, die Teilfortschreibung des Regionalplans mit den möglichen Windkraftanlagenstandorten dem Verband Region Stuttgart zu übermitteln, die Abstimmung denkbar knapp: Neun Bezirksbeiräte votierten dafür, acht dagegen.

Windkraftgegner wurden zurecht gewiesen

Nicht gerade würdig für sachliche Kritik erwiesen sich leider die Gegner der Windräder im Tauschwald oberhalb von Weilimdorf und Feuerbach, u.a. der Verein „Pro Tauschwald e.V.” aus Feuerbach. Diese hielten während der Behandlung des Tagesordnungspunktes immer wieder Plakate in den Sitzungssaal, der Vortrag von Dr. Oediger und Diskussion der Bezirksbeiräte wurde fortwährend durch Kommentare und Gespräche untereinander gestört. Bezirksvorsteher Julian Schahl sah sich daher gezwungen, die Demonstranten zurecht zu weisen, die Plakate zu verbieten und drohte mit einer Verweisung aus dem Sitzungssaal. Zwar wurden die Plakate entsprechend danach eingesteckt – doch die Geräuschkulisse und Anmerkungen blieben und störten den Diskussionsverlauf nachhaltig.

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