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Historische Schusterwerkstatt im Heimatmuseum wird zum Filmset

(TOM) Die historische Schusterwerkstatt des Weilimdorfer Heimatkreises ist Teil der Dauerausstellung im Heimatmuseum. Sie diente als Set für einen Film über das Schuhmacherhandwerk.

Der Weilimdorfer Heimatkreis hatte kürzlich zu einer Filmpremiere im Alten Pfarrhaus eingeladen. Zahlreiche Interessierte waren der Einladung gefolgt, darunter auch Mitglieder der Familie Hanle, Nachfahren des eins­tigen Besitzers der historischen Schusterwerkstatt des Weilimdorfer Heimatkreises. „Solche Schusterwerkstätten gibt es in vielen Heimatmuseen“, erklärt Edeltraud John vom Heimatkreis. „Viele wollen sie wegwerfen oder zumindest einmotten“, erklärt sie weiter. Dabei sei eine solche Schusterwerkstatt im Grunde Ideal, um das Schuhmacherhandwerk zu erklären.

Genau aus dem Grund ist die Schusterwerkstatt des Weilimdorfer Heimatkreises auch nicht im Depot verschwunden, sondern vielmehr zum Filmset geworden. Die Idee zu dem Film hatte Edeltraud John, Geschäftsführerin des Heimatkreises. Sie hat mit dem Enkel des einstigen Besitzer, Bernd Hanle, über die Idee gesprochen und schließlich nach Möglichkeiten gesucht, den Film zur realisieren.

Den Filmautor habe sie bei den Vorbereitungen zu der Ausstellung Motor-Asse kennengelernt, erzählt John bei der Filmpremiere. Heinz Herbert Girner, selbst einst Motorsportler und 1951 Mitbegründer des Motorsportclubs Stammheim sei ihr als kompetenter Ansprechpartner in Sachen Solitude-Rennen genannt worden.

Girner hatte schon damals als weiteres Hobby das Filmemachen für sich entdeckt und 1957 den Verein „Kornwestheimer Filmamateure” mitgegründet. 1963 drehte der Hobbyfilmer und Motorsportler beim Solitude-Rennen den Film „Gang durchs Fahrerlager“, den er dem Heimatkreis für die Ausstellung Motor-Asse zur Verfügung gestellt hat. Bei einem Besuch bei Girner zuhause habe er ihr weitere Filme gezeigt, so John. „Er hat ein komplettes Studio eingerichtet mit Schneideeinrichung und allem was man benötigt“, erzählt John begeistert.

Mit der Frage, ob er bereit sei, einen Film über das historische Schusterhandwerk zu drehen, hat John bei Girner sozusagen offene Türen eingerannt. Fehlte nur noch ein Schuhmacher, der auch mit den historischen Gerätschaften umgehen kann. Den hat John in Weilimdorf mit Orthopädie-Schuhmacher-Meister Klaus Schwermer gefunden. Filmer und Schuhmacher hätten sich sofort bestens verstanden, erzählt John. Tatsächlich sind beide Film- und Motorsportfans und haben als dritte gemeinsame Passion die Motorschifffahrt.

Die Dreharbeiten hätten etwa 2,5 Stunden gebraucht, erzählt John weiter. Girner habe von Anfang an sehr genaue Vorstellungen gehabt, wie der Film aussehen soll. „Das Fernsehen hätte für den Film drei Tage gebraucht“, ergänzt Girner lachend. Nach dem Dreh hat er noch rund 80 Stunden im Schneideraum verbracht. Herausgekommen ist ein 16-minütiger Streifen in dem Schuhmacher-Meister Schwermer erklärt, wie Schuhe früher hergestellt wurden und wie heute ein Schuh entsteht.

Zu sehen ist in dem Film, wie Schwermer in einen sogenannten Schuhschaft eine Lederkappe einarbeitet und den Schaft dann über den Leisten „zwickt“, wie es im Fachjargon heißt. Zunächst wird die Lederkappe mit einem speziellen Kleber im Schaft zwischen Oberleder und Futterleder eingeklebt. Anschließend wird der Schaft über den Leisten gezogen. Um den Schuh über den Leisten zu ziehen, wird eine Zwickzange verwendet – daher auch der Ausdruck über den Leis­ten zwicken.

Stück für Stück wird das Leder über den Leisten gezwickt und dann mit einem Nagel fixiert. „Nach den ersten Zügen schaut man von Oben, ob alles gut sitzt“, erläutert Schwermer. Sind irgendwo Falten zu erkennen, wird entsprechend nachgearbeitet. Zu Beginn werde eine große Zwickzange verwendet, wenn es an die Feinarbeit gehe, eine kleine Zwickzange, so der Schuhmacher-Meister weiter. Jede Zwickzange ist praktischerweise mit einem kleinen Hammer versehen, damit beim Zwicken das Werkzeug nicht gewechselt werden muss.

Ein ganz wichtiges Instrument sei der Schuhmacher-Hammer, erklärt Schwermer weiter. Der Hammer ist vorne rund und wird dazu benutzt auch kleinste Unebenheiten auszuklopfen.

Heute werde nicht mehr genagelt, sondern getackert und dann geklebt. Früher sei der Schaft nach dem Zwicken an die Brandsohle angenäht worden. Anschließend wurde früher dann die Sohle aufgenäht. Heutzutage wird die Sohle mit speziellen Klebern auf dem Oberschuh festgeklebt. „Diese Neoprenkleber benötigen nur zehn Minuten, um auszuhärten“, erfährt man im Film.

Früher seien zur Befestigung der Brandsohle an der Sohle Holznägel verwendet worden, erfährt man weiter. „Zuerst wurde mit der Nagelahle ein Loch gemacht und dann der Holznagel in das Loch eingeschlagen“, so Schwermer. „Dadurch war die Sohle fest mit der Brandsohle verbunden.” Der Schaft sei früher mit der Ahle an die Brandsohle angenäht worden. Dafür habe man sogenannten „Pechdraht“ verwendet. Dieser Pechdraht besteht aus mehreren verdrehten Garnfäden, die mit Pech eingerieben wurden.

Auch heute gebe es noch einige wenige Schuhmacher, die in dieser traditionellen Weise arbeiten, verrät Schwermer. „Das sind Schuhmacher, die Maßschuhe machen“. Aber auch in der Orthopädieschuhtechnik werde noch sehr viel von Hand gemacht. Für Maßschuhe und auch für orthopädische Schuhe werde zuerst ein ganz individueller Leisten hergestellt. Dafür benötige man bereits rund zwei Stunden. Diese Leisten würden heute teilweise immer noch ganz traditionell aus Holz gefertigt. Vielfach werde auch mit Gipsabdrücken gearbeitet. „Wichtig beim Herstellen der Leisten ist, dass an den Zehenspitzen eine Zugabe eingerechnet wird“, erläutert der Schuhmacher-Meis­ter. Dies sei insbesondere bei Diabetikern wichtig, da die an den Füßen häufig keine Schmerzen empfinden. Der Diabetiker spüre also auch keine Druckstellen in einem zu engen Schuh, erklärt er.

Im nächsten Arbeitsschritt werde bei der Maßschuhherstellung der Schaft mit Ober und Futterleder gefertigt. Hierfür müsse man rund acht Stunden ansetzen. Für das Zwicken benötige man dann weitere zwei Stunden und für das Anbringen der Sohle ebenfalls zwei Stunden. Werde ganz traditionell mit Pechdraht gearbeitet, würden diese Arbeitsschritte noch länger dauern.

Für die Herstellung von Maßschuhen brauche man insgesamt rund 20 bis 30 Stunden. Rechne man die Trockenzeiten, etc dazu, brauche der Schuhmacher vom Maßnehmen bis zur Fertigstellung rund eine Woche. Dass das nicht ganz billig ist, liegt auf der Hand. Für Maßschuhe müsse man zwischen 900 und rund 4.000 Euro rechnen, erklärt Schwermer.

In der Schusterwerkstatt in der Heimatstube sind neben den genannten Werkzeugen noch weitere zu sehen. Zum Einsatz kamen beim Schuster neben Hammer, Zwickzange und Ahle auch Kneipmesser (zum Beschneiden der Sohlen und Absätze), ein Wetzstein (zum Schärfen des Kneip), ein Wetzstahl (zum Nachschärfen), Raspel (für das Bearbeiten der Sohlen und Absätze), Täcksheber (zum Herausziehen der Nägel), Spitzknochen (für das Beidrücken und Schnittöffnen), Rissöffner (zum Freimachen des Schnitts in der Sohle), Risskratzer (für das Tieferlegen des Schnitts), Stahl- und Schweinsborsten (als Nähnadeln), Aufrauer (für die Vorbereitung der Klebflächen), Randmesser (für das Ablassen/Entgraten der Sohlenkanten), Glasscherbe beziehungsweise Ziehklinge (für das Entfernen des Ledernarbens), Putzholz (zum Andrücken der Sohlenkanten). Für die abschließenden Arbeiten, wie beispielsweise das Entfernen des Leistens aus dem Schuh (mittels eines Leistenhakens) oder das Ausputzen und Finishen der Schuhe, wurden noch weitere Werkzeuge benötigt. Zu sehen ist in der Heimatstube auch eine sogenannte Schusterkugel. Sie diente dazu, die Lichtverhältisse am Arbeitsplatz des Schusters zu verbessern.

Der in der Schusterwerkstatt der Heimatstube gedrehte Film wird zukünftig übrigens bei Führungen zu sehen sein – insbesondere auch bei Führungen für Schulklassen. Die Heimatstube hat keine festen Öffnungszeiten. Es kann aber jederzeit ein Wunschtermin vereinbart werden, auch Führungen für Gruppen sind flexibel möglich. Interessierte können unter der Mail-Adresse info@weilimdorfer-heimatkreis.de Kontakt aufnehmen.

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