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Meilensteine der Schreibtechnik in der Heimatstube

Die ersten zwei Gedanken beim Betreten der Heimatstube mit den in Reih und Glied, links wie rechts, aber auch zentral in den Vitrinen angeordneten Schreibmaschinen ist “wo ist der Klang der Anschläge? Wo sind die Damen die davor sitzen und mit dem Zehn-Finger-System Texte in atemberaubender Geschwindigkeit per Tasten die Worte über das Farbband und die Walze zu Papier bringen?”.  Doch es bleibt ruhig, lediglich ein leichtes Knacken des Holzboden ist zu hören, die Lichtstrahler surren leicht und verbreiten angenehme Wärme – man realisiert schnell: hier passiert nichts mehr, eine vor rund 40 Jahren zu Ende gegangene Epoche der Dokumentation von Schriftstücken wartet im Dachgeschoss des Alten Pfarrhaus nur noch auf interessierte Besucher mit schwelgenden Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit.

Der gemeinsame Nenner ist in der – allerdings ungewollten – Sammelleidenschaft von Bernd Lautenschläger zu suchen: Lautenschläger war von 1992 bis 2017 Notar in Weilimdorf. Durch die baden-württembergische Notariatsreform, die zum 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist, wurde das Notariat in Weilimdorf aufgelöst, Lautenschläger arbeitet nun im Amtsgericht in Bad Cannstatt. In den letzten 25 Jahren seines Wirkens in Weilimdorf begann alles mit zwei alten Schreibmaschinen seines Vaters: “Ich habe selber auf diesen noch ab und an geschrieben, zum verschrotten zu schade, habe ich sie als Dekorationsartikel mit ins Büro gestellt. Neben Spielzeugautos und anderen Dingen”. Das blieb lange Jahre so – bis ein Kunde zu ihm kam, die Schreibmaschinen sah – und feststellte, dass er selber noch eine im Keller stehen hat. Lautenschläger ließ sich überreden, dieser – statt zu verschrotten – einen Platz in seinem Notariat zu geben.  Ehe Lautenschläger sich versah, wuchs der Bestand Dank weiterer Kunden mit alten Schreibmaschinen rasch weiter an: “Ich kam zu den Maschinen wie die Jungfrau zum Kind!”. Letztlich das Besondere an den Geräten ist, dass sie alle in Weilimdorf im Einsatz waren – egal wo sie hergestellt wurden: sprichwörtlich “bearbeitet” wurden sie in Weilimdorfer Firmen oder privat daheim für lange Briefe. Könnten die Maschinen reden – sie hätten Geschichten aus der Weilimdorfer Arbeitswelt parat.

Als es 2017 um die Auflösung des Notariats ging, stellte sich Lautenschläger die Frage, was mit dieser Raritätensammlung, die mehr als 70 Jahre Schreibdokumentation ausmacht, passieren soll – und fand in Graveur Alfred Höritzer, zugleich Geschäftsführer des Heimatkreises, den passenden Ansprechpartner, die Schreib- und Rechenmaschinen erstmals als eigenständige Ausstellung in der Weilimdorfer Heimatstube zu bringen. Höritzer machte sich daran, die Maschinen zu katalogisieren, ihre Herstellungsjahre bzw. Zeitalter zu bestimmen, aber auch um herauszufinden, was diese Technik, die im 20. Jahrhundert ihre weiteste Verbreitung hatte, überhaupt alles konnte – sei es dokumentenechte Schriftstücke “zu tippen”, Lochkarten zu beschriften oder auch mehrfache Durchschläge mit einem Schreibgang herzustellen, ohne dass das vorderste Papier “gelocht” wurde. “Selbst heute braucht man bei einigen Formularen noch Schreibmaschinen, da die Computer trotz aller Entwicklung einige Feinheiten, die diese Maschinen beherrschen, nicht zustande bringen!”, so Höritzer erläuternd.

Doch es sind Nischenprodukte geworden, ihre große Zeit ist vorbei. Einst lösten Schreibmaschinen den von Gutenberg erfundenen Buchdruck ab, mittlerweile haben die Maschinen Dank der digitalen Computertechnik ein ähnliches Schicksal erfahren. Die meisten Hersteller von Schreib- und Rechenmaschinen sind inzwischen verschwunden, nur wenigen gelang es neue Geschäftsfelder zu erschließen. “Bei ebay bekommt mal alte Schreibmaschinen heute zu Kilopreisen”, so Höritzer – einzelne Geräte bringen mit Glück den einen oder anderen 100 Euro Schein ein. Sammlungen sind meist privater Natur, mit am bekanntesten ist noch das Schreibmaschinenmuseum in Bayreuth. Mit Blick zurück in die Vergangenheit der schreibenden Arbeitswelt stellt Lautenschläger fest: “früher wurden Menschen noch wertgeschätzt, heute sind es die Maschinen”. Schreibmaschinen waren vergleichsweise preiswert, hielten vielfach mehr als 10 Jahre – ein Computer kostet heute ein vielfaches und wird alle drei bis fünf Jahre ausgetauscht. Dokumente, die mit einer Schreibmaschine geschrieben wurden, kann man auch 100 Jahre danach noch auf Papier lesen – Computerdateien aus den 1980er bis 1990er Jahren kann man heutzutage vielfach wegen der veralteten Software gar nicht mehr öffnen. Ob das Schreiben generell noch eine Zukunft hat, ist eine Frage unserer Zeit: über kurz oder lang wird wohl zu erwarten sein, dass selbst das uns die Computer abnehmen werden…

Immerhin befinden sich Höritzer und Lautenschläger mit der neuen Ausstellung “Schreibmaschinen – Meilensteine der Schreibtechnik” in der Heimatstube, die von 16. Februar bis 27. April 2018 in der Heimatstube besucht werden kann, in bester Gesellschaft mit Tom Hanks. Der Hollywood-Schauspieler ist ein wahrer Schreibmaschinen-Sammler mit Leidenschaft, hat mittlerweile sogar ein Buch über die Schreibmaschinen verfasst. Und vielleicht, aber auch wirklich nur vielleicht, steht Hanks in den nächsten Wochen mal in der Heimatstube und schaut sich staunend die Sammlung an, die ab Mai 2018 eine neue Heimstatt sucht – denn das Notariat Weilimdorf gibt es nicht mehr.

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