Neujahrsempfang der SPD Ortsvereine mit Beispielen gelungener Integration

(tom) Der Neujahrsempfang der SPD Ortsvereine Weilimdorf und Giebel, Bergheim, Hausen fand dieses Jahr nach pandemiebedingter Pau­se zum 27. Mal statt. Überschrieben war der Empfang dieses Mal mit „Beispiele gelungener Integration”.

Zum 27. Neujahrsempfang konnte der Vorsitzende des SPD Ortsvereins Weilimdorf, Roland Berger, rund 90 Gäste begrüßen. Unter ihnen weilten Vertreter aus dem Gemeinderat, dem Bezirksbeirat und dem Jugendrat sowie Vertreter der Weilimdorfer Vereine, Schulen, Kirchen und Institutionen.

Berger bedankte sich gleich eingangs seiner Ausführungen dafür, dass man die Räume des Bezirksrathauses wieder für den Empfang nutzen darf. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass der Neujahrsempfang auch dazu diene, haupt- und ehrenamtlich Engagierten eine Plattform zum Austausch zu bieten.

In seiner Begrüßung wies Berger ferner darauf hin, dass man heute das Thema Flucht und Integration ganz lokal betrachten wolle. „Wir werden heute von geflüchteten Menschen – die hier in Weilimdorf leben – erfahren, womit sie zu kämpfen hatten und haben“, so Berger.

Zu Gast beim Empfang waren das Ehepaar Fateme und Nurollah Afzali sowie Reza Husseini aus Afghanistan und Tarik Ammar aus Syrien. Interviewt wurden die vier Gäste von Werner Bossert, der viele Jahre den Flüchtlingskreis Weilimdorf geleitet hat. Alle vier haben in Weilimdorf eine neue Heimat gefunden und sind als Industriemechaniker, Großhandelskaufmann, KfZ-Mechatroniker und Hauswirtschafterin tätig.

Fateme und Nurollah Afzali und Tarik Ammar sind seit 2015 in Deutschland, Reza Husseini ist seit 2016 hier. Nurollah Afzali erzählt, dass er ohne Familie nach Weilimdorf gekommen sei und zunächst in der Spechtweghalle untergebracht war. „Ich hatten nichts außer ein paar Klamotten und einem Platz zu schlafen“, erzählt er. Dennoch habe er eine große innere Ruhe verspürt, weil er in Freiheit und in Sicherheit war. Eine Empfindung, die die anderen drei Gesprächsteilnehmer mit Kopfnicken bestätigten. Nurollah Afzali erklärt auch, dass ihm auch von Anfang an klar war, dass er einen langen Weg vor sich habe. „Wir wussten damals auch nicht, das es hier in Weilimdorf so viele tolle Menschen gibt die anderen helfen. Diese Menschen haben uns in der harten Zeit unterstützt. Es war toll diese Menschen als Unterstützer zu haben.“ In den vergangenen neun Jahren habe er viel erreicht, so Nurollah Afzali weiter. Er habe eine Berufsausbildung machen können, ein eigenes Einkommen und zusammen mit seiner Frau Fateme eine eigene Wohnung. „Wir fühlen uns als Teil der Gesellschaft. Danke Weilimdorf.“

Reza Husseini erzählt dass er aus seiner Afghanistan, wo er geboren wurde, in den Iran gegangen ist um dort zu studieren. „Das durfte ich dort aber nicht“. Er sei dann nach Afghanistan zurück, habe aber außer einem Flüchtlingsausweis keine Papiere gehabt und dort illegal gelebt. In dieser Situation hat er seine Frau kennengelernt und geheiratet. Sein Sohn, habe wegen fehlender Papiere nicht zur Schule gehen dürfen, als er sechs Jahre alt war. „Wir sind dann über die Balkanroute nach Deutschland geflüchtet und leben seit 2015 in Weilimdorf.” Besonders im Gedächtnis geblieben ist Reza Husseini, dass schon am zweiten Tag in der Sporthalle jemand auf ihn zugekommen sei und erklärt habe, dass sein Sohn zur Schule gehen müsse. „Da habe ich meiner Frau gesagt, wir haben alles richtig gemacht.“

Fateme Afzali erzählt, dass ihr Asylantrag zunächst abgelehnt worden sei. „Wir haben eine Duldung bekommen und die musste alle drei Monate erneuert werden.“ Sieben Jahre hätten sie und ihr Mann unter Duldung in Deutschland gelebt: „Das war eine schwere Zeit, weil wir nie wussten, ob wir eine neue Duldung bekommen.”

Viele Firmen würden Geflüchtete nicht beschäftigen, weil sie nur eine Duldung haben, hält an der Stelle Bossert fest. Dass man Menschen, die eine Duldung haben, beschäftigen darf, sei vielen Firmen gar nicht bekannt.

Fateme und Nurollah Afzahli hatten genau aus dem Grund große Schwierigkeiten, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Nurollah Afzahli erzählt, dass er nach seiner Ausbildung eine Stelle nur deshalb nicht bekommen habe, weil er keine Aufenthaltserlaubnis hatte. Reza Husseini berichtet von den selben Problemen. Er habe eine Stelle bei der Weilimdorfer Firma Scharr Büromarkt bekommen und dort dann auch eine Ausbildung machen dürfen.

Tarik Ammar hat eine Ausbildung als Industriemechaniker gemacht und nebenher auch in der Kleiderkammer sowie in der Fahrradwerkstatt des Flüchtlingskreises geholfen. In seiner Ausbildung sei er im Betrieb gewählter Jugendvertreter gewesen, erzählt er weiter. Und er wurde von seinem Ausbildungsbetrieb übernommen. Er habe großes Glück gehabt, dass er nur ein Jahr auf seine Aufenthaltserlaubnis warten musste, berichtet Tarik Ammar.

Nurollah Afzali hat KfZ-Mechatroniker gelernt, nachdem er zunächst als Hilfsarbeiter in einem Autohaus tätig war. „Ich wollte nicht immer Helfer bleiben“, erzählt er. Das Autohaus sei bereit gewesen ihm einen Ausbildungsplatz anzubieten. Seine Frau Fateme hat bei der Diakonie eine Ausbildung zur Hauswirtschafterin gemacht und die Schule als Klassenbeste abgeschlossen. Aktuell macht sie eine Weiterbildung zur Hauswirtschafltichen Betriebsleiterin.

Auf die Frage, was sie in ihrer Freizeit machen, erzählt Tarik Ammar, dass er gerne klettert und auf der Waldau seit einem Jahr als Betreuer aktiv ist. Außerdem ist er OT im Waldheim und hilft weiterhin in der Fahrradwerkstatt. Fateme und Nurollah Afzali engagieren sich ehrenamtlich im Café International, das wöchentlich bei Chloroplast in Weilimdorf stattfindet. Beim Café erzählen sie auch anderen Geflüchteten, was sie erlebt und erreicht haben.

Alle vier haben in dem Gespräch mehrfach betont, wie wichtig für sie die Sprachkurse waren. Die Sprachkurse seien sehr wichtig für alle Geflüchteten: Ohne Sprachkenntnisse bekomme man keinen Ausbildungsplatz, weiß Reza Husseini. „Sprachkurse sind der Schlüssel“. Das ist auch den Engagierten im Flüchtlingskreis bewußt. „Wir suchen derzeit Menschen, die Deutschkurse anbieten“, erklärt der Sprecher des Flüchtlingskreises, Ralf Horndasch. Bei den Sprachkursen könne man sich auf vielfältige Weise einbringen. Wer sich engagieren möchte kann sich einfach über die Webseite des Flüchtlingskreises www.fluechtlingskreis-weilimdorf.org melden.

Im Anschluss hatten die Kommunalwahlkandidaten der SPD, Ruth Weckenmann und Dominik Hermet das Wort. Weckenmann, Expertin der Arbeitsagentur, betonte ebenfalls wie wichtig es ist, dass die Geflüchteten Sprachkurse besuchen können. Wichtig sei, dass auch Sprachkurse mit Kinderbetreuung angeboten werden. Aktuell hätten nur rund 20 Prozent der geflüchteten Frauen die notwendigen Sprachkurse absolviert und dies insbesondere deshalb, weil es keine Sprachkurse mit Kinderbetreuung gebe. Weckenmann machte auch klar, wie wichtig es ist, das Geflüchtete arbeiten können. „Wir haben einen Mangel an Arbeitskräften wie noch nie“, erklärt sie. Es gebe immer mehr Stellen die nicht besetzt werden können und deshalb sei es umso wichtiger Menschen in Ausbildung zu bringen. Dominik Hermet, Geschäftsführer des Sportkreises Stuttgart verwies in seinem Statement auf die Integrationskraft des Sports. Die schönste Nebensache der Welt sei nicht nur für die Gesundheit wichtig sondern habe auch eine soziale und integrative Funktion. Tarik Ammar ist für ihn ein wunderbares Beispiel, wie Integration durch Sport funktionieren kann.

Judith Vowinkel bedankte sich am Ende bei den Gesprächspartnern dafür, dass sie den Gästen des Neujahrsempfangs einen so persönlichen Einblick in ihr Leben gewährt haben. „Ich freue mich, dass ihr hier Fuß gefasst habt und Weilemer geworden seid“. Ein Dankeschön sprach sie auch Moderator Werner Bossert sowie Dominik Hermet und Ruth Weckenmann für ihre Statements aus, Peter Dietz-Vowinkel, für die musikalische Umrahmung des Empfangs und sie dankte auch allen Helferinnen und Helfern, die den Abend vorbereitet haben und lud alle Anwesenden ein, den Abend bei einem kleinen Imbiss und guten Gesprächen ausklingen zu lassen.

Ähnliche Beiträge