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Vollversammlung des Flüchtlingskreis Weilimdorf: Hilfe weiterhin gefragt

(RED) – Weilimdorfs Bezirksvorsteherin Ulrike Zich und Werner Bossert, Vorsitzender des Flüchtlingskreises Weilimdorf, begrüßten am Mittwochabend, 4. März 2020, im Sitzungssaal des Bezirksamtes weitaus mehr ehrenamtliche Helfer als erwartet: “Es freut uns sehr, dass so viele von Ihnen gekommen sind!”, so Zich und Bossert unisono dankbar.

Der Flüchtlingskreis, der aus der Flüchtlingswelle 2015 heraus seine Arbeit in Weilimdorf mit Hilfe unzähliger Ehrenamtlicher aufgenommen hat, ist auch im Jahr 2020 weiterhin sehr gefragt – angesichts von immer noch rund 360 Flüchtlingen aus verschiedensten Ländern der Welt, die in der Steinröhre und im Wolfbusch an der Solitudestraße untergebracht sind. “Ich kann ihnen nur DANKE für so viele Jahre Arbeit im Flüchtlingskreis sagen. Es ist ihr Verdienst, dass sich bei uns so vieles zum Guten gewendet hat”, so Ulrike Zich den Abend einleiten. Zugleich ist sich Zich aber auch sicher, dass sich Hilfe wie 2015 im Jahr 2020 nicht so leicht organisieren ließe wie fünf Jahre zuvor: “Unsere Gesellschaft ist anders geworden”. Dies vor allem auch mit Blick auf die aktuelle Situation an der griechisch-türkischen Grenze: “Wenn Staaten mit Menschen dealen, ist das jenseits von Gut und Böse!”, so Zich. Dennoch freue sich sich sehr über das anhaltende Engagement der Weilimdorfer: “Es ist ein gutes Gefühl, Menschen gedient zu haben. Bleiben Sie so engagiert!”

Rechtsanwalt Stefan Weidner, der den Flüchtlingskreis Weilimdorf immer wieder bei Fragen zum Asyl unterstützt, stellte in einem ausführlichen Vortrag die aktuelle Situation im Deutschen Asylrecht vor – dies mit dem Schwerpunkt “was passiert, wenn ein Asylverfahren (negativ) abgeschlossen ist”. Weidner stellte anfangs die aktuellen Fallzahlen zum Jahr 2019 in Deutschland vor: “30 Prozent aller Flüchtlinge kommen, trotz geschlossener Grenzen, aus Syrien!”. Eine Abschiebung dieser Menschen ist bei der aktuellen Bürgerkriegssituation und -entwicklung obsolet, auf absehbare Zeit wird es nach Syrien daher auch keine Abschiebungen geben. Weitere 10 Prozent aller Flüchtlinge kommen derzeit aus dem Irak, 8 Prozent aus der Türkei, 6,7 Prozent aus Afghanistan, 6 % aus Nigeria, ebenso 6 % aus dem Iran. Die übrigen 33 Prozent aller Flüchtlinge im Jahr 2019 stammen aus unzähligen anderen Ländern, die von den Behörden statistisch derzeit nicht auseinandergerechnet werden.

Die meisten Flüchtlinge aus Syrien, Iran und Irak kommen, da die “Balkanroute” geschlossen sei, heute über Lybien mit Booten nach Italien, von dort aus werden sie nach ihrer Registrierung teils mit Fahrkarten in die Züge nach Deutschland gesetzt, teils schlagen sie sich nach den sechs Monaten Flüchtlingscamp in Italien selber nach Norden durch. “Da Italien kein Sozialsystem hat wie Deutschland, werden die Flüchtlinge nach den ersten sechs Monaten sich selber überlassen”, so Weidner. Die Versorgung geschehe meist über die Hilfswerke. Abschiebungen nach dem Dublinverfahren aus Deutschland nach Italien sind wegen der Ausbreitung des Coronavirus südlich der Alpen derzeit behördlich gestoppt.

Weidner gab den ehrenamtlichen Helfern des Flüchtlingskreises viele detailierte Informationen an die Hand, wie es nach negativen wie positiven Asylbescheiden in Deutschland und mit den betreuten Flüchtlingen weitergeht. Während vor alle Syrer meist den subsidären Schutzstatus durch den Bürgerkrieg im Heimatland erhielten, würden Flüchtlinge aus anderen Ländern meist negativ beschieden und sind aufgefordert wieder in die Heimatländer zurückzukehren. Geschehe dies nicht, droht die Abschiebung. Vor allem jungen Menschen, die bereitwillig die Deutsche Sprache lernen und eine Ausbildung begonnen haben oder eine Zusage für eine Ausbildung in der Hand haben, können auf eine “Ausbildungsduldung” hoffen. Doch auch hierfür gibt es Hürden, angefangen beim Identitätsnachweis und das Sprachniveau (B1 wird als Mindestmaß vorausgesetzt). Für Erwachsene gibt es seit 2020 auch die “Beschäftigungsduldung”. Die unterliege allerdings einem komplizierten Verfahren mit 10 Voraussetzungen,

– wie die Vorduldungszeit von mindestens 12 Monaten,
– der bestehende Arbeitsvertrag muss mindestens 35 Wochenstunden umfassen und sozialversicherungspflichtig sein
– sowie bereits seit 18 Monaten bestehen,
– es darf kein Sozialhilfebezug des Antragssteller vorliegen,
– die Deutschkenntnisse bedürfen mindestens dem Niveau A2,
– der Antragsteller darf keine Straftaten begangen haben oder verurteilt sein
– es darf kein Bezug zu Extremisten bzw. Terroristen vorliegen,
– keine Androhung einer Ausweisung/Abschiebung vorhanden sein,
– bei Kindern bzw. Jugendlichen bedarf es des Schulnachweises und keine Straffälligkeit.

Werner Bossert stellte abschließend den Jahresrückblick 2019 vor und verwies auf die erfolgreichen Durchführungen wie der Auflösung der Kleiderkammer und des Möbellagers, die Kinoangebote in der Steinröhre für Kinder, die Beteiligung des Flüchtlingskreises bei der Neueinweihung des Löwen-Platz im Mai, die Fahrradkurse und Ausflüge für Frauen, den Freibadbesuch mit 14 Kindern sowie das Fußballturnier mit den Flüchtlingen in Gerlingen. Das Filmprojekt “Deutschkurs” musste allerdings als gescheitert betrachtet werden – es war zu schwierig für die Teilnehmer, den Inhalten von Filmen nur anhand von Untertiteln zu folgen. In 2019 ganzjährig aktiv war die Lernzeit-Gruppe, die Sprachkurse fanden statt, die Fahrradwerkstatt stand bereit, das Kaffee Kunterbunt angeboten. Auch in 2020 sollen viele dieser Angebote unverändert fortgesetzt werden, neu ist in 2020 das MINT-Projekt für Kinder, das finanziell sogar separat gefördert wird.

Während in der “Lernzeit” vor allem Probleme mit dem Lärmpegel mangels schallschluckender Elemente in den Aufenthaltsräumen bestehen – und aus Brandschutzgründen dies nicht beseitigt werden kann, hat das “Kaffee Kunterbunt” die Unterstützung neuer Ehrenamtlicher notwendig. Das bestehende Team ist am Ende seiner Möglichkeiten. Werner Bossert fügte dem hinzu, dass dieses Angebot wie auch immer fortgesetzt werden solle, da es als wichtige Kommunikationsplattform gebraucht werde: “Wir brauchen dringend neue Helfer, sonst müssen wir das Angebot zusammenstreichen”. Da inzwischen mehr als 50 Familien aus den Flüchtlingsunterkünften erfolgreich in Wohnungen vermittelt werden konnten und dieser Trend auch anhält, betätigt der Flüchtlingskreis sich mit Helfern aus den Flüchtlingen inzwischen immer wieder als Umzugshelfer. Mit dem Fortzug ist die EVA allerdings auch nicht mehr für die ausgezogenen Flüchtlinge verantwortlich – und so bleibt für viele dieser Menschen nur der Flüchtlingskreis als Ansprechpartner übrig. “Hier brauchen wir ein neues Konzept, sowohl für die, die in Wohnungen wechseln, aber auch vor allem für neu ankommende Flüchtlinge. 2015 und 2016 kamen sie in großen Busgruppen, heute nur noch als Einzelpersonen oder im Familienverbund, das macht die Arbeit immer schwieriger”, erläutert Bossert.

Stephan Gier, Kassenverwalter des Flüchtlingskreises, stellte abschließend die Bilanz 2019 vor. Die verfügbaren Gelder sind mittlerweile rückläufig, der Flüchtlingskreis bestreitet seine Ausgaben von der Substanz: “Wir haben zwar in 2019 die gleichen treuen Spender gehabt, dafür sind wir sehr dankbar. Doch in der Summe kamen nur noch 625 Euro an neuen Spenden zusammen, die Tendenz für 2020 ist weiter sinkend”, so Gier. Daher muss intern über weitere Sparmaßnahmen gesprochen werden – auch die Homepage des Flüchtlingskreis Weilimdorf soll auf den Prüfstand.

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