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Vom Zauber der Schönheit: neues Heimatblatt widmet sich dem Grafiker Walter Stähle

(RED) Am 9. Juli 2019 wäre der lange Zeit in Weilimdorf lebende Grafiker Walter Stähle 100 Jahre alt geworden – der Weilimdorfer Heimatkreis e.V. widmet ihm daher ein eigenes Heimatblatt. Die Ausgabe 42 wirft einen Blick auf sein Lebenswerk, das Weilimdorf in vielerlei Hinsicht geprägt hat.

Walter Stähle starb am 29. Mai 2004 in Friedrichshafen, blieb aber zeitlebens mit Weilimdorf verbunden. Sein Schwiegersohn Eberhard Christof Grötzinger (siehe Bilder nachfolgend rechts) legte daher in seiner Darstellung des Lebens und des Werkes seines Schwiegervaters einen besonderen Schwerpunkt für das neue Heimatblatt auf dessen Weilimdorfer Zeit.

Am 9. Juli 1919 in Rottweil geboren, die Kindheit in Calw verbringend, musste Walter Stähle in seiner Jugend mehrere Schicksalsschläge hinnehmen, da zwischen 1929 und 1933 zwei seiner Geschwister und seine Mutter starben. 1934 begann er eine Lehre als Schriftsetzer in der Ölschläger’schen Druckerei in Calw und konnte sie nach dem Umzug der Familie nach Stuttgart kurze Zeit später beim Kohlhammerverlag fortsetzen. Die Lehre schloss er 1937 mit “vorzüglich” ab und nahm im selben Jahr am “Reichsberufswettkampf” der Gewerbeschulen teil. Als Kreissieger des Stuttgarter Bereichs durfte er an einem Reichslehrgang für Schriftschreiben an der Meisterschule des deutschen Handwerks in Offenbach teilnehmen und erhielt so die Zusage für ein Stipendium für das Studium der heute als “Offenbacher Hochschule für Gestaltung” bekannten Einrichtung. Doch der Kriegsbeginn ließ dies nicht zu, 1940 wurde Stähle als Soldat schwer verwundet und verlor sein linkes Auge. Für sein späteres Lebenswerk aber wohl kein Hindernis. 1942 heiratete er die aus Weilimdorf stammende Ruth (geb. Völter) in der Oswaldkirche, bereits 1941 begann er das Studium in Offenbach bei Prof. Ernst Engel, der ihn zeitlebens prägen sollte.

Im Studium lernte er den Umgang mit der Handpresse, mit der er bereits die eigene Hochzeitsanzeige gestaltete. Zusätzlich zur Schrift verwendete er einen eigenen Holzschnitt, den er auf jedem einzelnen Exemplar kolorierte. Schon hier wurde Stähles künstlerische Begabung sichtbar, mit der er nicht nur als Lehrer seine Schüler und Studenten, sondern auch die gesamte Fachwelt beeindruckte. 1953 wurde er Lehrer für Schrift und Typographie an der Höheren Fachschule für das graphische Gewerbe in Stuttgart, der späteren “Hochschule der Medien”. Die Gestaltung von Urkunden z.B. der Stadt Stuttgart oder des Landes Baden-Württemberg und von Plakaten, z.B. zur Ankündigung von Konzerten der Oswald-Kantorei Weilimdorf in den 1960-er Jahren waren nur einige noch bis heute wirkende Werke Stähles. Dies führte 1973 dazu, dass er zum Professor für Typographie und Produktgestaltung ernannt wurde. 1978 folgten die ersten Ausstellungen in der Universitätsbibliothek Stuttgart und in der Stadtbibliothek Ulm, bevor er 1981 mit dem Umzug der „Ernst-Engel-Presse“ Weilimdorf in Richtung Meersburg verließ. Im Mai 1993 wurde Walter Stähle für sein Lebenswerk in Würdigung seiner Verdienste auf kulturellem Gebiet mit dem “Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland” ausgezeichnet. Seine eigentliche Kreativität nahm jedoch erst im Laufe seines Ruhestandes Fahrt auf. Einige dieser Werke werden im neuen Heimatblatt detailliert vorgestellt, weitere werden vom 09. Juli bis 10. August 2019 in einer Ausstellung in der Stadtteilbibliothek Weilimdorf gezeigt.

Seine außergewöhnliche Arbeit findet sich zudem nicht nur in der Fachwelt wieder, sondern auch in Weilimdorf: Zum Beispiel stammt von ihm das Firmenlogo der Firma Paul Bauder, dessen Entwicklung er selbst als “eine besondere Herausforderung” bezeichnete: Der Namenszug in einer besonders stabilen Schrift und der rote Balken, der ein Dach symbolisiert, bilden das Markenzeichen des Familienunternehmens Bauder in Weilimdorf. Das vielen bekannte Heimatbuch für Weilimdorf (“Weilimdorfer Bilder und Geschichten” mit dem “gehörnten Hasen” auf dem Titelcover) erschien 1969 im Eigenverlag von Heinrich Schmidt und Walter Stähle.

Der Nachwelt hat Stähle nicht nur Weilimdorf bezogene Werke hinterlassen: 1983 erschien sein Buch “Kalligraphie – eine Anleitung zum Schreiben künstlerischer Schriften” im Frech-Verlag, Stuttgart-Weilimdorf. Auf der Ernst-Engel-Presse entstanden ab 1952 in Stuttgart und ab 1981 in Meersburg 38 Handpressendrucke in Buchform und 118 Einblattdrucke, in der Regel durchweg auf hochwertigem Papier, in einer ruhigen Ästhetik gestaltet mit viel Rand und einem sehr sparsamen Einsatz von Hervorhebungen. Bei heutigen Schrifterzeugnissen wird oftmals versucht, durch die Verwendung möglichst vieler Schrifttypen und möglichst viele Bilder Aufmerksamkeit zu erzeugen. “Das wirkt dann alles sehr unruhig!”, so Grötzinger erklärend bei der Vorstellung des Heimatblatt. Interessanterweise gibt es heute aber auch eine Gegenbewegung: zurück zur Handschrift, zur Kalligrafie, zum schön gestalteten Blatt. Man nennt das auf Neudeutsch „handlettering“. Walter Stähle gab am Ende seines Lebens seine außergewöhnliche Büchersammlung an die Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg.

Digital ist Walter Stähle im 21. Jahrhundert noch heute zu finden: Seine von ihm entwickelte Schrift “Staehle Graphia” wurde 2001 digitalisiert und ist seither als “Linotype Stähle Script und Stähle Graphia” auch als Schriftsatz für den Computer erhältlich.

Die Ausstellung mit dem Titel “Zeitgenössische Buchkunst” mit ca. 40 handgebundenen Büchern sowie unzähligen von Walter Stähle gestalteten Plakaten (als Postkartenwand) gibt es in der Stadtteilbibliothek Weilimdorf am Löwen-Markt vom 09. Juli bis 10. August 2019 und kann während der üblichen Öffnungszeiten der Bücherei besichtigt werden. Die Ausstellungseröffnung findet am 09. Juli um 18 Uhr statt. Am 18. Juli bietet die VHS Stuttgart dort einen Vortrag von Ute Brendel über das Thema “Lust auf handlettering” an. In einem Workshop der Wolfbuschschule haben zudem die Schüler und Schülerinnen am 29., 30. und 31. Juli die Gelegenheit, ein eigenes Buch anzufertigen.

Das neue Heimatblatt Nr. 42 “Vom Zauber schöner Schriftgestaltung” ist ab sofort gegen eine Schutzgebühr in Höhe von 2 Euro erhältlich bei:

– Stadtteilbibliothek Weilimdorf
– Held Zeitschriften Tabakwaren im Löwen-Markt-Center
– Schreibwaren Predikant am Wormser Platz
– Bürgerservice im Bezirksamt am Löwen-Markt

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