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5. Dezember 1775: Schillers Vater wird der Leiter der Gärten von Schloss Solitude

(SSG) Am 5. Dezember 1775, vor exakt 245 Jahren, trat Johann Caspar Schiller eine neue Arbeitsstelle an: Der Vater des späteren Dichterklassikers betreute als herzoglicher „Gartenintendant“ die weitläufigen Obstplantagen, die einst rings um Schloss Solitude gediehen.

Sein umfassender Leitfaden der Obstbaumzucht, ein eindrucksvolles Buch, hatte noch lange als Standardwerk Bestand. Heute sind die herzoglichen Versuchsanlagen längst verschwunden; in den letzten Jahren angelegte Obstwiesen in der Nähe des Schlosses erinnern an Johann Caspar Schillers Arbeit.

LUSTSCHLOSS MIT LANDBAU_

Der Garten von Schloss Solitude war einst für seine Obstbaumplantagen berühmt. Hier wurden am Ende des 18. Jahrhunderts zahlreiche Obstbäume gezogen, darunter viele Apfelsorten. Johann Caspar Schiller leitete 20 Jahre lang die Gärten der Solitude. Er beschäftigte sich insbesondere mit dem systematischen Obstanbau. Sein Buch „Die Baumzucht im Großen aus Zwanzigjährigen Erfahrungen im Kleinen beurtheilt“ aus dem Jahr 1795 – ein Jahr vor seinem Tod – wurde zum Standardwerk.

OBSTBÄUME ALS WIRTSCHAFTSFAKTOR

Herzog Carl Eugen, bekannt für seine glänzenden Feste, wandelte sich in seinen späten Jahren zum Landesherrn mit Neigung zur Landwirtschaft. In den Gärten seiner Schlösser Solitude und Hohenheim konnte er sich als fürstlicher Landwirt betätigen. Er förderte die Baumzucht und entdeckte Obstbäume als Wirtschaftsfaktor. Carl Eugen betrieb im Hohenheimer Gebiet, auf dem Karlshof und in Klein-Hohenheim, ein landwirtschaftliches Gut. Dies wurde einer der wenigen herzoglichen Betriebe, die rentabel arbeiteten.

DAS LEBEN JOHANN CASPAR SCHILLERS

Johann Caspar Schiller, 1723 in Bittenfeld geboren, stammte aus einer Familie von Weingärtnern und Handwerkern und wuchs im Remstal auf. Er erhielt Lateinunterricht, arbeitete einige Jahre in der Landwirtschaft und kam mit 15 zu einem Barbier und Wundarzt in die Lehre. 1745 wurde er Soldat und Feldscher. 1749 absolvierte er in Marbach das Examen als Wundarzt und trat schließlich in die Dienste des Herzogs Carl Eugen und machte Karriere im württembergischen Heer: 1767 wurde er Hauptmann in Ludwigsburg, 1794 schließlich Obristwachtmeister.

VATER UND SOHN SCHILLER AUF DER SOLITUDE

1775 holte der Herzog Carl Eugen Johann Caspar Schiller als „Gartenintendant“ auf die Solitude. Die Leidenschaft, die der ehemalige Hauptmann zu seinem Beruf machte, war aber weit mehr als reines Interesse am Obstbau: Schiller verband die Obstplantage mit einer gesellschaftlichen Verantwortung nachfolgenden Generationen gegenüber – in den Apfelbäumen sah der Utopist sogar ein wiedergefundenes Paradies. Während der Vater die Obstplantagen des württembergischen Herzogs betreute, vollzog sich beim Sohn Dramatisches: Er floh 1782 aus dem Land, weil ihm die Situation an der herzoglichen Karlsschule und unter der engen und despotischen Herrschaft Carl Eugens unerträglich wurde.

DER GROSSE MENTOR DER OBSTKULTUR

Seine Baumschule am Schloss Solitude war wohl die größte im Süddeutschland des späten 18. Jahrhunderts. Schiller entwickelte den Obstanbau im ganzen Land weiter. Viele bis heute existierende Streuobstbestände im mittleren Neckarraum gehen noch auf seine Tätigkeit zurück. Bleibende Wirkung hatte auch sein umfassendes Buch „Die Baumzucht im Großen“, das bis in die Gegenwart ein Standardwerk im Obstbau blieb. Heute gilt Schiller als Pionier der damals modernen Landwirtschaft. Am Ende seines Lebens war er „Inspekteur“ sämtlicher herzoglicher Gärten und Baumschulen und auch zuständig für die Forstbaumschulen des Landes. Er starb am 7. September 1796 auf der Solitude und wurde im nahen Gerlingen begraben.

ZÜCHTUNGEN AUS DER ZEIT CARL EUGENS, DIE ES HEUTE NOCH GIBT

Ab dem Ende des 18. Jahrhunderts wurden viele neue Apfel- und Birnensorten gezielt gezüchtet, um die Landwirtschaft zu verbessern. Etwa die Französische Renette, die 2014 vom Landesverband für Obstbau, Garten und Landschaft Baden-Württemberg e. V. zur Streuobstsorte des Jahres gekürt wurde. Heute lohnt es sich mehr denn je, historische Apfelsorten zu erhalten: Die Artenvielfalt ist längst als ein kostbares Gut erkannt. Oftmals gibt es nur noch vereinzelt Bestände in botanischen Einrichtungen – oder als kostbare Entdeckungen auf Streuobstwiesen. Für die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg ist das Thema der Nachhaltigkeit und der Biodiversität ein zentrales Anliegen. In vielen Schlossgärten sind inzwischen die Rasenflächen in artenreiche Blühwiesen und wertvolle Insektenweiden umgewandelt. In den letzten Jahren wurden auch auf den Wiesen um Schloss Solitude historische Apfelbaumsorten angepflanzt. Dass in diesem Fall auch noch an eine wichtige Entwicklung des Agrarwesens vor über 200 Jahren erinnert werden kann, ist eine württembergische Besonderheit.

_BILD: Vorder- und Rückseite eines Blatts im Format 10 x 13 cm, der Apfel ist näher beschrieben: „Rhother HerbstCalvil von d. Solitude 1794 gepflanzt. Zum erstenmahl erdeutlich tragend 1805. Das charakteristische Kennzeichen ist oben an der Blume die dichten Fältchen oder das kröpfichte Wesen. Die Blume sitzt hoch u. ein Blättchen guckt heraus.“ Die Abbildung stammt aus: Johann Caspar Schiller, Die Baumzucht im Grossen aus Zwanzigjährigen Erfahrungen im Kleinen in Rücksicht auf ihre Behandlung, Kosten, Nutzen und Ertrag beurtheilt. Hrsg. Gottfried Stolle, Württembergische Bibliotheksgesellschaft, Stuttgart, 1993.

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