Bildungsort für Jugendliche im Beisein von Kultusministerin Schopper eingeweiht

(tom) Kultusministerin Theresa Schopper, die Stuttgarter Bildungsbürgermeisterin Isabel Fezer und der Geschäftsführer der Vector Informatik GmbH, Dr. Thomas Beck, haben kürzlich die Lernwerkstatt der Gemeinschaftsschule Weilimdorf eingeweiht. In neunmonatiger Vorbereitungszeit ist in Weilimdorf für sechzig geflüchtete Kinder und Jugendliche ein Lernort entstanden, für den Vector ehemalige Büroräume umgebaut und diese zur schulischen Nutzung überlassen hat.

Zur Einweihung der Lernwerkstatt der Gemeinschaftsschule Weilimdorf (GMS) im Weilimdorfer Industriegebiet waren rund 100 Gäste aus der Wirtschaft, Zivilgesellschaft und der Politik eingeladen. Die neue Lernwerkstatt ermöglicht neu zugewanderten Schülerinnen und Schülern im Alter zwischen 11 bis 14 Jahren, die keine oder wenig Schulerfahrung haben oder nicht alphabetisiert sind, eine spezifische Beschulung.

Ein interdisziplinäres Team von Lehrerinnen und Lehrern sowie Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sorgt dafür, dass die Jugendlichen lesen und schreiben lernen, eine sprachlich-mathematische Grundbildung erhalten sowie sozio-emotional stabilisiert werden. Ziel ist die bestmögliche Vorbereitung auf weitere schulische Bildung im Regelschulbetrieb oder den Beginn einer beruflichen Ausbildung.

Zahlreiche Kooperationspartner aus den Bereichen Sport, Umwelt und Kultur begleiten des Projekt und unterstützen die Schülerinnen und Schüler mit ihren Angeboten dabei im sozialen und gesellschaftlichen Umfeld Fuß zu fassen, anzukommen und sich zu integrieren. Das auf fünf Jahre angelegte und in Baden-Württemberg einzigartige Modellprojekt soll evaluiert werden, um die gewonnenen Erfahrungen für die weitere Verbesserung des Angebots zu nutzen und auch auf andere Schulstandorte zu übertragen.

„Die Lernwerkstatt zeigt vorbildlich, wie eine Beschulung von Jugendlichen ohne Schulerfahrung aus vielen verschiedenen Nationen funktionieren kann“, hielt Kultusministerin Theresa Schopper in ihrem Grußwort fest. „Ich wünsche mir sehr, dass nicht nur die Schülerinnen und Schüler hier sehr viel lernen, sondern dass es uns zudem gelingt, positive Erfahrungswerte aus der Lernwerkstatt im ganzen Land zu nutzen. Schrift und Sprache sind essenziell für einen guten Start und eine erfolgreiche Integration. Der Schulbesuch in der Lernwerkstatt bietet dafür die besten Voraussetzungen“, so die baden-württembergische Bildungsministerin.

Die Stuttgarter Bildungsbürgermeisterin Isabel Fezer sagte: „Wir sind sehr dankbar für diese einzigartige Kooperation von Kommune, Land, Unternehmen, Förderern und Zivilgesellschaft. Eine solche Zusammenarbeit zwischen Privatwirtschaft und öffentlichem Sektor im Bereich der Schule ist ein Novum in Stuttgart.“ Fezer richtet einen besonderen Dank an Vector. „Als Eigentümer der Räumlichkeiten leistet Vector einen entscheidenden und sehr großzügigen Beitrag für den Erfolg der Lernwerkstatt und der hier unterrichteten Schülerinnen und Schüler. Ein herzlicher Dank gebührt auch allen Stiftungen, die durch ihr finanzielles Engagement viele Bausteine im Rahmen der Umsetzung der Lernwerkstatt ermöglichen. Gemeinsam eröffnen wir die Chance auf Bildung.“ Mit dem Motto „Willkommen, ankommen, weiterkommen“ leiste die Lernwerkstatt im Zusammenspiel vieler Großartiges, so die Bildungsbürgermeisterin.

Vector-Geschäftsführer Thomas Beck betonte: „Die jungen Menschen im Modellprojekt haben schon viel Belastendes erlebt. Wir möchten ihnen dabei helfen, sich eine bessere Zukunft aufzubauen. Bildung ist die beste Starthilfe zur Integration, und Integration kommt nicht nur den betroffenen Jugendlichen zugute, sondern auch den Unternehmen und der gesamten Gesellschaft. Gerne stellen wir dafür die Infrastruktur bereit, erst recht, wenn es sich um ein solch zukunftsweisendes Modellprojekt direkt in der Nachbarschaft unseres Firmensitzes handelt.“ Beck machte in seiner Rede auch deutlich, dass die Zusammenarbeit mit der Stadt und den städtischen Ämtern nach Anlaufschwierigkeiten sehr gut verlaufen sei. „Am Anfang hat der Amtsschimmel gewiehert“, so Beck. Jetzt sei man der Stadt und auch den Ämtern dankbar, das alles so schnell gegangen ist.

Klaus Käpplinger, Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Gesellschaft (eva), dem Träger der im Team der Lernwerkstatt beschäftigten Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, richtete den Blick auf die Anbindung der Lernwerkstatt an das gesellschaftliche Umfeld: „Wir nehmen das menschliche Grundbedürfnis nach Beziehung und Wertschätzung bei unserer Arbeit sehr ernst. Das ist eine wichtige Grundlage für den Erfolg der Lernwerkstatt, aber auch für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Nur wenn wir aufeinander zugehen und in Austausch mit dem sozialen Raum im Umfeld der Lernwerkstatt treten, kann Integration gelingen.“

Bei einem Rundgang durch die Lernwerkstatt konnten die Gäste der Eröffnung im Anschluss an den offiziellen Teil die Räumlichkeiten in Augenschein nehmen. Die Räumlichkeiten im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss des Bürogebäudes sind so gestaltet, dass sie die pädagogischen Anforderungen des Bildungskonzepts, aber auch ökologische Ansprüche optimal unterstützen. Die Lernwerkstatt bietet einen geschützten Raum für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen und heißt sie willkommen.

Pädagogisches Konzept
Die vier Lerngruppen der Werkstatt sind eine Außenstelle der Gemeinschaftsschule Weilimdorf. Die Anstellung der sozialpädagogischen Fachkräfte erfolgt durch die Evangelische Gesellschaft über den Bereich Mobile Jugendarbeit. Bis zu sechzig schulunerfahrene Jugendliche im Alter von 11 bis 14 Jahren können in der Lernwerkstatt in vier Gruppen über ein eigens erarbeitetes pädagogisches Konzept, Basiskompetenzen wie Alphabetisierung, Spracherwerb, mathematische Grundbildung, Selbstorganisation sowie sozio-emotionale Stabilisierung und Resilienz erwerben.

Die Kinder und Jugendlichen, die aktuell die Lernwerkstatt besuchen, stammen aus Afghanistan, dem Iran, Rumänien, Syrien und der Ukraine. Oft war aufgrund politischer und familiärer Lebensumstände in den Herkunftsländern oder auf der Flucht der regelmäßige Schulbesuch nicht möglich. Grundlegende sprachliche und mathematische Basiskompetenzen sind daher kaum vorhanden. Die Lernwerkstatt hat das Ziel, den Jugendlichen in einem geschützten und strukturierten Rahmen zu helfen, diese grundlegenden Kompetenzen in unterschiedlichen Lernfeldern im Rahmen eines ganztägigen Angebotes nachzuholen, um so die Grundlage für einen erfolgreichen Bildungsweg zu schaffen.

Der Übergang von der Lernwerkstatt in das reguläre Schulsystem ist ein zentrales Ziel des Projekts. Sobald die Jugendlichen Basiskompetenzen erworben haben, werden sie entsprechend ihres Lernfortschritts und ihrer Lernbedürfnisse individuell zu einem schulischen oder beruflichen Anschluss geführt. Ziel ist es, den Übergang so nahtlos wie möglich zu gestalten und die Jugendlichen langfristig im Bildungssystem, der Arbeitswelt und der Gesellschaft zu integrieren.

Neben der direkten Arbeit mit den Jugendlichen ist auch eine intensive Beziehungsarbeit mit den Eltern erforderlich, die wichtige Bezugspersonen für die Bildungsprozesse ihrer Kinder sind. Deshalb beinhaltet das pädagogische Konzept auch eine Elternbeteiligung. Die bisherigen Erfahrungen mit der Elternbeteiligung bewerten die pädagogischen Fachkräfte, wie sie beim Rundgang darlegten, positiv.

Das auf fünf Jahre angelegte Projekt wird evaluiert, um die gewonnenen Erfahrungen auch auf andere Schulstandorte übertragen zu können. Ergänzend begleitet wird das Projekt durch die Zusammenarbeit mit zahlreichen Partnern. Dazu gehören neben der Gemeinschaftsschule Weilimdorf und der Evangelischen Gesellschaft das Gemeinschaftserlebnis Sport, das Bewegungsprogramm des Sportkreises Stuttgart; ArtHelps, eine Künstlerini­tiative für sozial Benachteiligte; das Team Weilimdorf der Mobilen Jugendarbeit Stuttgart; KinderHelden, das 1:1-Mentoringprojekt zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen; die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart sowie die Kinder- und Jugendbibliothek der Stadtbibliothek Stuttgart

Unterstützt und gefördert wird das Projekt von den Stiftungen der Firmen Vector, Louis Leitz, LBBW und Bauder, von der Ferry Porsche Stiftung, Frauen helfen helfen, dem Kinderbeirat der Wolkenputzer Stiftung sowie der Rudolf Schmid und Hermann Schmid Stiftung.

Fotos: Niedermüller/Rechte LHS, Tommasi (2), Matthias Matthai    /Rechte Vector

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