(RED) – Das Schloss Solitude ist eines der beliebtesten Ausflugsziele in Stuttgart. Vor allem an sonnigen sommerlichen Wochenenden wie auch an verschneiten Wintertagen ist die Wiese vor dem Schloss dicht belegt – entweder mit Picknickdecken oder mit Schlitten. Doch das Innere des Schlosses hat seine eigene Geschichte – und vor allem Geschichten.
Erfahren kann man diese „Geschichten“ während der regulär angebotenen Führungen durch die Prunksäle des Schlosses, die in der Regel mittwochs bis sonntags mehrmals täglich angeboten werden. Doch wer es nicht ganz so geschichtlich trocken mag – und ein wenig Prunk und wichtiges wie unwichtiges der Zeit aus der Mitte des 18. Jahrhunderts erfahren will, der sollte sich eher auf eine der wenigen „Kostümführungen“ verlegen. Diese finden jedoch – temperaturbedingt – nur in den Sommermonaten statt.
Durchgeführt wird diese Führung von keiner geringeren Person als von der „Herrin der Solitude“. Mag der erste Gedanke hier an die offizielle (erste) Ehefrau von Herzog Carl Eugen gehen, Elisabeth Frederike Sophie von Brandenburg-Bayreuth, tritt hier jedoch die 1751 in Italien geborene Caterina Bonafini in Erscheinung, dargestellt von Ioana Mihalache, die Besucher seit dem Sommer 2021 durch das Schloss Solitude führt.
Nach der Trennung von seiner Ehefrau – und um das verschwenderische Hofleben zu frönen, reiste Carl Eugen immer wieder gern mit großem Gefolge nach Venedig – und muss bei dieser Gelegenheit ca. 1766 Caterina Bonafini kennengelernt – und zur Geliebten gemacht haben. Denn ab 1767 war Bonafini als Mätresse, die Geliebte des Herzogs, seine ständige Begleitung – wie auch bei den fast täglichen Aufenthalten auf der noch unfertigen Solitude. Man weiß dies aus dem Tagebuch des Freiherrn von Buwinghausen, einem Vertrauten des Herzogs, der immer bestätigt, dass „Mlle Bonafini“ mit von der Partie war.
Die Jahre von 1767 bis 1771 war Bonafini so die „Herrin der Solitude“ – und erlebte nicht nur die Fertigstellung, sondern auch viele prunkvolle Empfänge, Konzerte wie Opernaufführungen und Theaterabende. Und so bekommen die Besucher von Bonafini alias Mihalache erklärt, welche Räumlichkeiten des Lustschlosses wofür genutzt wurden, wie der im Ostflügel befindliche verspiegelte Musiksaal, der blaue Saal, der prunkvolle wie stilvolle weiße Festsaal mit einer Kuppel und dem ovalen Deckengemälde, der grüne Saal (das Arbeitszimmer des Herzogs) – und letztlich der Palmensaal im Westflügel des Schlosses, dem ein Schlafraum und ein Bibliotheksraum angegliedert sind. Der Schlafraum mit einem Bett in der überschaubaren Gröe von 150 mal 190 Zentimetern diente aber wohl eher nur Schauzwecken – und die Bibliothek war einst mit nur 300 Büchern bestückt. Wichtiger war in der damaligen Zeit eben doch nur das „Partyleben“.
Doch neben den Erklärungen zu den Funktionen der Säle hat die Mätresse natürlich noch eben wichtige „Geschichten“ parat, was die Funktion der schwarzen wie weißen Masken bei Empfängen im Schloss und zum Karneval angeht, warum der Herzog sich mit Papieren in der Hand am Schreibtisch stehend malen ließ, welche Geschichten hinter den Deckengemälden zu sehen sind – und ganz wichtig: Woher das Gerücht stammt, dass man die Solitudeallee vom Schloss bis zum Bergheimer Hof auch im Sommer zum Schlitten fahren nutzen wolle. Alles natürlich nur „üble Nachrede“ aus dem gemeinen wie ungebildeten Volke!
1771 wurde der Herzog von Caterina Bonafini wohl überdrüssig – Franziska von Leutrum wurde zur neuen Begleiterin Carl Eugens, die er – hochbetagt – im Jahr 1785 heiratete. Bonafini wurde mit einer Jahrespension wie einem Kammerherrn als Ehemann abgefunden. Sie verließ allerdings bald das Land und kehrte nie wieder zurück. Herzog Carl Eugen starb 1793 in Hohenheim.
Übrigens: Im Gegensatz zu Großprojekten im Deutschland der heutigen Zeit wurde das Lustschloss Solitude oberhalb von Weilimdorf, das „politisch gesehen“ allerdings zum Stuttgarter Stadtbezirk „West“ gehört, für „18.-Jahrhundert-Verhältnisse“ gesehen in einer Rekordzeit von gerade mal 6 Jahren errichtet. Wie heute bei Großprojekten auch, liefen Bauherr Herzog Carl Eugen die Baukosten aus dem Ruder, denn die Bauzeit war gekennzeichnet von „politischen und finanziellen Widrigkeiten“. Neben dem Schloss ist vor allem die parallel errichtete Solitudeallee zur Residenz nach Ludwigsburg zu einem historischen Baumonument geworden: sie diente ab dem Jahr 1820 als Basislinie zur württembergischen Landesvermessung.