Drehleiter Korntal Copyright @fire

Mit vielen Kissen von Korntal über Krakau nach Kiew

(ARO) Mit diesem Satz kann man, kurz und knapp, die längste Fahrt, die die ausgemusterte Drehleiter der Freiwilligen Feuerwehr Korntal-Münchingen in ihren 30 Jahren zurückgelegt hat, zusammenfassen.

Anlass für diese weite Reise war eine humanitäre Hilfsaktion der Stadt Korntal-Münchingen für die ukrainische Hauptstadt Kiew.

Seit Beginn des Krieges sind in der Ukraine rund 250 Einsatzfahrzeuge der dortigen Feuerwehren zerstört worden und stehen somit nicht mehr für Einsätze zur Verfügung.
Dies trifft die dortigen Einsatzkräfte doppelt, da die Einsätze durch die kriegerischen Auseinandersetzungen an Schwere und Anzahl deutlich zugenommen haben.

Aus diesem Grund beschlossen Bürgermeister Dr. Wolf und der Gemeinderat im März, dass die ausgesonderte Drehleiter nicht, wie ursprünglich geplant, verkauft wird, sondern in die Ukraine gespendet werden soll. Bevor die Überführungsfahrt beginnen konnte, mussten aber noch einige juristische und logistische Hindernisse aus dem Weg geräumt werden.

Drehleiter Korntal Copyright Andreas RometschDa das Hubrettungsfahrzeug bei einem Einsatz im März 2021 beschädigt wurde, war es seit diesem Zeitpunkt nicht einsatzklar.
Dieses Problem löste dankenswerterweise der Hersteller des Leiterparks, die Firma Magirus in Ulm schnell und unbürokratisch. Ohne Berechnung wurde im Werk der beschädigte Korb instandgesetzt und der komplette Leitersatz überprüft und notwendige Teile ersetzt.

Das nächste, weit größere, Problem waren juristische und fiskalische Hürden. Es musste ermittelt werden welchen Wert das Fahrzeug noch besitzt und daran anschließend das Vorgehen mit der Kommunalaufsicht abgestimmt und durch diese genehmigt werden. Weiterhin galt es diverse zulassungs- und zollrechtliche Vorgaben zu erfüllen, da das Fahrzeug aus der EU in ein Nicht-EU-Land ausgeführt werden sollte.

Birgit Heinrich, Feuerwehrsachbearbeiterin bei der Stadt Korntal-Münchingen, und Hans-Jörg Stellmacher, Zugführer bei Korntaler Feuerwehr und Koordinator der gesamten Hilfsaktion, gelang es mit viel Einsatz und Engagement aber auch diese bürokratischen Klippen zu umschiffen.
Hans-Jörg Stellmacher stellte auch den Kontakt zu Mitgliedern von @fire-Internationaler Katastrophenschutz Deutschland e.V. her, die den Transport und die Übergabe an die Ukraine organisierten.

@fire ist eine international tätige Hilfsorganisation die vorrangig im Bereich Vegetationsbrandbekämpfung, Trümmerrettung sowie Management und Logistik tätig ist. Letztgenannter Fachbereich wurde unmittelbar nach Ausbruch des Krieges tätig, um Hilfstransporte in die Ukraine zu planen.
Die hochprofessionell arbeitenden, rein ehrenamtlich tätigen Mitglieder von @fire leisteten wertvolle Unterstützung sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Durchführung des Transportes der Drehleiter in die Ukraine. Ohne deren Hilfe wäre die Durchführung der Spendenaktion so nicht möglich gewesen.

Drehleiter Korntal Copyright Andreas RometschNachdem die Drehleiter dank der Reparatur durch die Firma Magirus wieder einsatzklar war, alle Papiere, zweisprachig(!) vorlagen und die Zollkennzeichen montiert waren, stand der Fahrt an die polnisch-ukrainische Grenze aus formellen Gründen nichts mehr im Weg.

Dass es dann, nach Klärung aller Probleme, auch tatsächlich schnellstmöglich losgehen konnte, ist zwei Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr Korntal-Münchingen, Herbert Proß und Kevin Kirschenlohr, zu verdanken. Die beiden hatten sich, nachdem klar war, dass die Drehleiter in die Ukraine gespendet werden soll, sofort bereit erklärt die rund 1300 Kilometer lange Fahrt zu übernehmen.
Die Länge der Strecke sorgte übrigens dafür, dass die Anzeige des Kilometerzählers der 30 Jahre alten Drehleiter innerhalb von nur vier Tagen um sechs Prozent anstieg.

Drehleiter Korntal Copyright Andreas Rometsch

Herbert Proß, Angestellter der Stadt Korntal-Münchingen, kann auf eine 30-jährige Erfahrung in der Durchführung von Hilfstransporten zurückgreifen. Erst einige Wochen vor der Überführung der Drehleiter hatte er über das Weissacher Busunternehmen Wöhr Tours, bei dem er ebenfalls arbeitet, eine Hilfsaktion zu Gunsten der Ukraine durchgeführt. Auf der Hinfahrt hatte er Hilfsgüter an die Grenze transportiert und auf der Rückfahrt 55 Flüchtlinge nach Baden-Württemberg gebracht. Seine jahrzehntelange Routine bei Hilfsaktionen dieser Art sorgte dafür, dass es auf der Fahrt an nichts mangelte.

Drehleiter Korntal Copyright Andreas RometschNeben ausreichend Proviant und mobiler Musikanlage gehörten auch ausreichend (Sitz-)Kissen zu den von ihm organisierten Ausrüstungsgegenständen. Die schon in der Überschrift erwähnten Kissen sorgten nämlich dafür, dass auch der jeweilige Beifahrer eine halbwegs bequeme Sitzmöglichkeit hatte.

Das MAN-Fahrgestell der Drehleiter hatte bei der Indienststellung im Jahr 1992 zwar schon einen luftgefederten Fahrersitz als Ausstattung, die Beifahrersitzbank hingegen war vom Sitzkomfort eher mit einer Pritsche vergleichbar. Für den reinen Kurzstreckenbetrieb bei einem Feuerwehrfahrzeug ist dies völlig ausreichend, auf einer insgesamt rund 24-stündigen Langstreckenfahrt wäre es allerdings einer Tortur gleichgekommen.

Solchermaßen ausgerüstet rollte die Drehleiter am Morgen des 28.4.2022 mit Herbert Proß und Kevin Kirschenlohr vom Vorplatz des Korntaler Feuerwehrhauses in Richtung Autobahn.

Kevin Kirschenlohr, der bei einem großen Stuttgarter Nutzfahrzeughersteller beschäftigt ist, sorgte dafür, dass Mannschaft und Gerät auch während der nächtlichen Ruhepause in Görlitz, der ersten Zwischenstation, komfortabel untergebracht waren. Da die wenigsten Hotels Parkplätze für Nutzfahrzeuge anbieten, musste er diverse Telefonate führen, um auch für die knapp 10 Meter lange Drehleiter eine sichere Abstellmöglichkeit zu finden.

Drehleiter Korntal Copyright @fire

Am nächsten Morgen ging die Fahrt weiter ins polnische Krakau. Dort trafen sich alle Fahrzeuge des von @fire organisierten Hilfskonvois. Neben der Drehleiter aus der Strohgäu-Gemeinde gehörten ein Löschgruppenfahrzeug (LF 8) der Feuerwehr Ellerbek (Pinneberg), ein Tanklöschfahrzeug (TLF 16/25) der Feuerwehr Rheinauen-Altrip und ein Rettungswagen (RTW) der Firma Infraserv Höchst zum Kontingent.

Anderntags ging es dann gemeinsam mit Begleitfahrzeugen in Richtung polnisch-ukrainisches Grenzgebiet. Der eigentliche Grenzübergang wie auch die Route dorthin obliegen aus Sicherheitsgründen der Geheimhaltung, um bei den noch folgenden Hilfstransporten das übernehmende Personal auf ukrainischer Seite nicht zu gefährden.

Übergeben wurden die Einsatzfahrzeuge übrigens nicht an ukrainische Feuerwehrleute, sondern an „normale“ LKW-Fahrer aus der Ukraine. Auf Grund des im Lande herrschenden Kriegsrechts sind diese die einzigen, die, wenn auch nur für kurze Zeit, das Staatsgebiet verlassen dürfen, um auf polnischer Seite die Feuerwehrfahrzeuge zu übernehmen.

Nachdem die Einsatzfahrzeuge übergeben, die Schenkungsurkunden überreicht und Erinnerungsbilder gemacht waren, ging es für Herbert Proß, Kevin Kirschenlohr und die Angehörigen der anderen beteiligten Feuerwehren mit von @fire bereitgestellten Fahrzeugen zurück in Richtung Heimat.

Diese Heimat, in Form des Korntaler Feuerwehrhauses, erreichten die beiden Feuerwehrmänner am Nachmittag des 1.Mai, rund 60 Stunden nach ihrer Abfahrt in Richtung Kriegsgebiet. Am Gerätehaus wurden sie bereits von ihren Kameraden der Feuerwehr Korntal-Münchingen erwartet und mit Grillgut verpflegt.

Drehleiter Korntal Copyright Andreas Rometsch

Bei einem Pressetermin einige Tage später dankten Bürgermeister Dr. Joachim Wolf und Feuerwehrkommandant Jürgen Hieber Herbert Proß und Kevin Kirschenlohr für ihr großes soziales Engagement, welches es ermöglicht, dass die Drehleiter der Feuerwehr Korntal-Münchingen in Kiew weiterhin gute Dienste leistet und Menschenleben rettet. Ein weiteres großes Dankeschön ging an Birgit Heinrich, Hans-Jörg Stellmacher und Stefan Fellner, der für @fire anwesend war. Ohne deren unermüdlichen Einsatz vor, während und nach der Überführung wäre diese Hilfsaktion nicht möglich gewesen.

Weitere Informationen zu den Hilfsaktionen der Firma Wöhr Tours und @fire – Internationaler Katastrophenschutz Deutschland e.V. findet man hier:

https://www.at-fire.de/

https://woehr-tours.de/hilfsaktion-fuer-gefluechtete-aus-der-ukraine/

Bilder: Titelbild & Bild 6: @fire, restliche Bilder Andreas Rometsch

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