(RED) Auf Einladung der Landeshauptstadt Stuttgart, Amt für Stadtplanung und Wohnen, waren am Mittwoch, 28. Juni 2023, Anrainer der Pforzheimer Straße, mit Vertretern der Stadtverwaltung und aus dem Bezirksbeirat in Ditzingen zu Besuch, um sich vor Ort über die Tempo-20-Zone in der Marktstraße zu informieren.
Dr. Hermann-Lambert Oediger, Leiter der Abteilung Stadtentwicklung bei der Landeshauptstadt und Carmen Thome vom Amt für Stadtplanung und Wohnen hatten für diesen Termin eine Ortsbegehung mit Ditzingens Bürgermeister Ulrich Bahmer und Hauptamtsleiter Guido Braun vereinbart – mit dem Gesprächsabschluss in der Marktstraße bei Ditzingens großem Modehaus „Mode + Schuh Kämpf“, bei dem Geschäftsinhaber Walter Kämpf persönlich zugegen war.
Ditzingens aktuelles Verkehrskonzept mit der Tempo-20-Zone in der Innenstadt auf der knapp 450 Meter langen Marktstraße wurde in den 1980er Jahren entwickelt und gebaut. Schon damals „quälten“ sich mehr als 11.000 Fahrzeuge Tag für Tag durch die Altstadt. Nach dem Umbau zur Tempo-20-Zone mit dem Neubau des neuen Rathauses „Am Laien“ (mit einer seither kostenlosen Tiefgarage) und der Wandlung des Platzes in eine Fußgängerzone halbierte sich nahezu das Verkehrsaufkommen in Ditzingen: Auf der Marktstraße wurden Tag für Tag nur noch etwa 6.000 Fahrzeuge gezählt.
Der Handel in Ditzingen hat deswegen nicht verloren: „Ja, wir hatten in der Bauphase hier alle unsere Schwierigkeiten und finanzielle Einbußen“, weiß Walter Kämpf zu berichten. Doch seit die Marktstraße in Ditzingen eine Tempo-20-Zone sei, habe sich der Aufenthaltswert im Zentrum des Ortes deutlich gesteigert, hochwertige Gastronomie siedelte sich an, der Einzelhandel wurde gestärkt: „Vor dem Umbau lag die Kaufkraftbindung in Ditzingen gerade mal bei 25 Prozent, heute liegt sie bei 60 Prozent!“. Auch habe er sein Geschäft inzwischen von 600 auf mehr als 1200 Quadratmeter ausgebaut – trotz Corona-Pandemie. Worauf aber auch er nicht verzichten konnte und nicht will: Parkplätze wie Kurzzeitparkplätze, insgesamt 20 nennt er für seine Kunden sein Eigen.
Natürlich gebe es immer auch wieder Leerstände in Ditzingen, diese werden aber in enger Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung, der Wirtschaftsförderung und dem Gewerbe- und Handelsverein „Aktive Wirtschaft Ditzingen AWD“ umgehend angegangen, die Stadt hat bei Immobilien das Vorkaufsrecht und nimmt dies regelmäßig auch in Anspruch.
Durch den Umbau der Marktstraße seien zwar im direkten Straßenverlauf einige Parkplätze weggefallen – aber auch größere Parkflächen wie am Schloss – und eben in der Tiefgarage unter dem Rathaus – neu entstanden. Hinzu kommt, dass in Ditzingen keine Parkgebühren erhoben werden: „Die Umgestaltung von Ditzingen war ein Komfortgewinn für alle, jeder hat Kompromisse eingehen müssen und ist heute aber zufrieden“, so Kämpf und Bahmer unisono.
Inzwischen hat sich das Verkehrsaufkommen in der Marktstraße allerdings wieder auf 8600 bis 9000 Fahrzeuge erhöht – trotz Tempo-20-Zone. Auch mussten einige Parkflächen in der Fläche vergrößert werden – und wurden dadurch weniger: Die Autos sind in den letzten 40 Jahren deutlich „gewachsen“, die SUV-Welle fordert Platztribut. Inzwischen gibt es deshalb in Ditzingen erste Überlegungen, die Marktstraße sogar in eine Fußgängerzone umzuwandeln. Dies auch in Hinblick darauf, dass die B295 bald „endgültig“ auf die A181 und den Engelbergtunnel „ausgelagert“ werden soll, die Straße nach Leonberg damit für immer zu einer Landstraße deklariert wird. Doch diese Diskussion einer kompletten Verkehrsberuhigung des zentralen Ortskern steht erst ganz am Anfang, noch besteht die „Arbeit“ darin Ideen und Gedanken zu sammeln – eine Umsetzung noch lange kein Thema.
Kämpf und Bahmer verwiesen auch darauf, wie wichtig Bäume auf der Marktstraße seien: „Allein die Tatsache, dass wir heute hier im Schatten der Bäume uns unterhalten können und nicht in der prallen Sonne stehen müssen, ist schon ein spürbarer Mehrwert“. Dies auch in Hinblick auf den laufenden Klimawandel – denn „mehr Grün“ bedeute auch „mehr Aufenthaltsqualität“.
Die Weilimdorfer Geschäftsbesitzer, Immobilienbesitzer wie Ärzte, die an diesem Termin mit dabei waren, bezweifelten allerdings deutlich, dass Ditzingen für Weilimdorf ein Vorbild sein könne. Insbesondere anwesende Hauseigentümer, Ärzte und Physiotherapeuten der Pforzheimer Straße wiesen darauf hin, dass ihre „Kundschaft“ in der Regel mit dem Auto kommt und kurze Wege in die Praxisräume benötige – da sei ein Verzicht auf Parkflächen in Weilimdorf zu Gunsten von Bäumen der falsche Ansatz. Auch der „Vespergang“ zum Metzger oder Bäcker durch Handwerker oder Weilimdorfer würde mit dem Rückbau von Parkplätzen passé sein, zumal das Parkhaus in Weilimdorf unter dem Bezirksamt trotz jahrzehntelangem Bestehen kaum bekannt – und vor allem sehr umständlich zu benutzen sei. Auch habe Weilimdorf keine innerörtlichen „Umgehungsstraßen“, wie sie in Ditzingen nunmal vorhanden seien. Unsisono erklärten die Anwesenden: „Wir können auf keinen einzigen Parkplatz bei uns in Weilimdorf verzichten!“.
Der Abschluss der Ortsbegehung fand auf dem „Platz an der Glems“ statt – hier fuhren keine Autos, breite Holzliegebänke wie man sie aus den Alpen kennt laden zum Verweilen unter Palmen ein. Oediger hielt in Rücksprache mit den Rundgangteilnehmern fest, dass für die weiteren Planungen für Weilimdorfs Pforzheimer Straße vor allem mitgenommen werde, dass grundsätzlich alle Bordsteine abgesenkt werden sollten, eine helle wie freundliche Pflasterung der Aufenthaltsqualität entgegen komme, bei einer Tempo-20-Lösung sogar auf Zebrastreifen verzichtet werden kann. Auch das Konzept der kostenlosen Parkplatzangebote in Ditzingen wurde positiv aufgenommen. Eine Begrünung sei angebracht, dort wo sie umgesetzt werden könne. Kris Dujmic, Vorstand der WeilAktiv Aktionsgemeinschaft, gab aber Oediger zu verstehen, dass die Stadtverwaltung jegliches Ansinnen einer Begrünung des Löwen-Platzes widersprochen habe: „Wir wollten richtig Geld in die Hand nehmen und den Platz mit mobilen Bäumen und Pflanztrögen ausstatten, auch die Kosten des Gießen übernehmen. Alle unsere Vorschläge wurden von der Stadtverwaltung abgelehnt mit der Begründung, dass diese Kübel dann in den U-Bahn-Schacht der Haltestelle Löwen-Markt geworfen werden oder auf die Straße geschleppt würden. Wie das bei mehr als 500 Kilo Gewicht so gehen soll, ist uns zwar nicht ganz klar, aber es wurde so begründet“. Oediger und Thome versprachen, die Frage der Begrünung nochmals in der Stadtverwaltung anzubringen.
Historie der Berichterstattung auf weilimdorf.de zur Verkehrsberuhigung der Pforzheimer Straße in Weilimdorf seit 2009 (nur eine Auswahl, chronologisch beginnend bei 2009, endend bei 2023):
20.05.2010:
https://www.weilimdorf.de/nachricht/mitteilungen-aus-dem-bezirksbeirat-weilimdorf-vom-19-mai-2010/
17.03.2017:
https://www.weilimdorf.de/nachricht/neuer-antrag-fuer-mehr-verkehrssicherheit-auf-der-pforzheimer-strasse/
25.10.2018:
https://www.weilimdorf.de/nachricht/zankapfel-tempo-30-erneut-im-bezirksbeirat/
30.10.2022:
https://www.weilimdorf.de/nachricht/pforzheimer-strasse-neue-loesungen-braucht-der-ort/