Zwei grandiose Konzerte mit dem Solitude- und Wolfbusch-Kinder-Chor

(CB) Das hätte dem Jubilar Ludwig van Beethoven und Komponisten aller Stücke sicher gefallen: sowohl im Nikolaus-Cusanus-Haus in Birkach wie auch im Mozartsaal der Liederhalle fanden zwei Konzerte vor einem begeisterten Publikum statt. Das Konzert in Birkach war schon Wochen vorher ausverkauft und die Liederhalle auch bis fast auf den letzten Platz besetzt.

Der junge Pianist Maximilian Schairer spielte den 1. Satz aus dem 4. Klavierkonzert nicht nur beeindruckend virtuos, sondern vor allem hochmusikalisch und wunderbar begleitet vom Sinfonieorchester der Universität Hohenheim und der Leitung von Klaus Breuninger. Bei der anschließenden Chorfantasie zeigte nicht nur der Pianist sein Können, sondern auch die einzelnen Instrumentengruppen des Orchesters: Flöte, Oboen, Klarinetten und Fagott und die Stimmführer Streicher beeindruckten in ihren Soloparts und demonstrierten, was für ein Potential im Sinfonieorchester der Universität Hohenheim, das ausschließlich aus Amateuren besteht, steckt! Doch damit nicht genug: sechs (!) Solisten und ein bestens präparierter Solitude-Chor ließen das Finale der Chorfantasie zu einem wahren Klangerlebnis werden. Das Publikum war begeistert und erklatschte sich noch eine Zugabe des Pianisten Maximilian Schairer.

Nach der Pause standen dann Chor, Orchester und die Solisten im Fokus. Die Kantate “der glorreiche Augenblick” schrieb Beethoven anlässlich des Wiener Kongresses 1814 und schuf damit ein glühendes Plädoyer für Frieden und ein vereintes Europa und zog dabei alle musikalischen Register: wie in einer Oper wechseln Rezitative und Arien, große Chöre und instrumentale Passagen. Dirigent Klaus Breuninger und seine MusikerInnen und SängerInnen schufen für das Publikum ein spannend erzähltes und sehr kurzweiliges Oratorium. Miriam Burkhardt (Sopran), Alexandra Paulmichl (Mezzo-Sopran), Wei Liu (Tenor) und Kai Preußker (Bass) hatten vielfältige solistische Aufgaben zu erfüllen, die sie allesamt in wunderbarer Weise meisterten. Doch auch Chor und Orchester waren in höchstem Maße gefordert, meisterten aber ihre Aufgabe bravourös! Selbst die durchweg sehr hohen Chorparts sangen die bestens einstudierten Sängerinnen und Sänger des Solitude-Chors intonationssicher und mit wunderbarem Ausdruck!

Im letzten Satz des Werks kam zur ohnehin großen Besetzung noch der Wolfbusch-Kinderchor hinzu. Die Zusammenarbeit mit dem Wolfbusch-Jugend- und -Kinderchor (Leitung Edith Hartmann) hat beim Solitude-Chor schon eine kleine Tradition, und so haben auch hier die Kinder aus Weilimdorf den durchaus anspruchsvollen Kinderchorpart in Beethovens Kantate übernommen. Und auch die jungen Sängerinnen und Sänger haben ihre Sache wunderbar gemacht!

So brandete mit dem Schlusston minutenlanger begeisterter Applaus auf. Die Zugabe war in vielerlei Hinsicht beachtenswert: Klaus Breuninger hatte nicht nur speziell für diesen beiden Konzerte eine Bearbeitung der Europahymne für Chor und Orchester geschaffen, auch die Wahl, den Text in Esperanto, einer universellen Sprache, zu singen, war eine positive Überraschung für das Publikum. Und die jungen Sängerinnen und Sänger des WolfbuschJugend- und -Kinderchors sangen beide Strophen des Esperanto-Textes auswendig und voller Begeisterung.

Ludwig van Beethoven wäre sicher von der Idee begeistert gewesen, den Friedens- und Europagedanken zum zentralen Punkt eines Konzerts zum machen. Der Solitude-Chor hat wieder einmal nicht nur musikalisch, sondern auch politisch ein beeindruckendes Statement abgegeben.

Argentinischer Tango mit schwäbischer Seele

Sie hatten sich viel vorgenommen – und haben überzeugt. Bei seinem Sommerkonzert in der Salvatorkirche im Giebel führte der Solitude-Chor aus Weilimdorf die anspruchsvollen Werke „Mass“ von Steve Dobrogosz und „Misa Tango“ von Martin Palmeri auf. Sowohl Chor als auch Solisten und Streichensemble begeisterten ihr Publikum.

Den minutenlangen Applaus in der fast vollbesetzten Salvator-Kirche hatten sich die Künstler redlich verdient. Der Solitude-Chor hatte sich einmal mehr für einen schwierigen Weg entschieden, als er Martin Palmeris „Misa Tango“ und Steve Dobrogoszs „Mass“ für seine Sommerkonzerte auswählte. Beide Werke haben ihre Tücken – Dobrogosz bedient sich immer wieder beim Jazz und führt die Musiker, die seine Werke interpretieren, an vielen Stellen in ungewohnte Tonfolgen und Harmonien. Palmeri hingegen stellt hohe Anforderungen an das Rhythmusgefühl. Das Leitthema seines Werkes „Misa Tango“ ist der südamerikanische Tango. Palmeri legt ein rhythmusbetontes Fundament unter das Thema „Messe“, ohne die sakralen Elemente der Messe in den Hintergrund zu drängen.

In diesem Spannungsfeld Messe – Tango – Jazz agierte der Chor unter Leitung von Klaus Breuninger sehr sicher. Er ließ sich weder von Dobrogoszs Jazzzitaten noch von Palmeris Rhythmuswechseln aus dem Gleichgewicht bringen. Präzise in der Ausführung und überzeugend in der Interpretation setzte der Chor die musikalische Linie der Werke um. Ein Höhepunkt war das abschließende Agnus Dei in Palmeris Messe-Umsetzung, in dem der Komponist die vorherigen Elemente der Messe zusammenführt. Chor und Ensemble gelang es, ein faszinierendes Klangbild zu entwerfen: leicht, schwebend und dennoch mitreißend.

Begleitet wurde der Solitude-Chor von Künstlern, die alle zu großen Könnern ihres Fachs zählen. Das Kammerorchester „Aufstrich“ unter der Leitung von Christiane Holzenbecher agierte mit großer Souveränität. Wie der Solitude-Chor besteht auch „Aufstrich“ aus engagierten Laienmusikern. Das Orchester überzeugte in allen Phasen des Konzertabends. Christiane Holzenbecher, studierte Geigerin und Trompeterin, demonstrierte ihr großes Können zudem in Soloparts. Dem studierten Pianisten Stephan Fink kam die Werkauswahl sehr entgegen. Fink, ausgebildet sowohl in klassischem Piano als auch als Jazzpianist, konnte die ganze Bandbreite seines musikalischen Könnens unter Beweis stellen. Er begeisterte als Solist, Begleiter und Könner des Jazzfachs. Der Vokalsolistin Seda Amir-Karayan hätte man mehr Passagen im Forte gewünscht. Sie beherrschte die leisen Passagen stets sicher, doch die Fülle und Kraft ihrer Stimme glänzte insbesondere dann, wenn Martin Palmeri in seiner „Misa Tango“ Dynamik einforderte. Herausragend war die Vorstellung von Karin Eckstein am Bandoneon. Sie gab eine eindrucksvolle Präsentation davon, was diesem Instrument an Tönen und Virtuosität entlockt werden kann, wenn es zwischen den richtigen Händen liegt.

Solitude-Chor Weilimdorf: Messe mal anders

Zwei Messen, musikalisch außergewöhnlich interpretiert, präsentiert der Solitude-Chor am Samstag, 7. Juli, um 19.00 Uhr in der Salvator-Kirche, Giebelstr. 15 im Giebel.

Gemeinsam mit dem Kammerorchester Aufstrich, der Sopranistin Seda Amir-Karayan, der Bandoneon-Spielerin Karin Eckstein und dem Pianisten Stephan Fink führt der Chor aus Weilimdorf die Werke „Misa Tango“ von Martin Palmeri und „Mass“ von Steve Dobrogosz auf.

Kaum zu glauben, dass dieses Instrument eine deutsche Erfindung ist, schließlich kennt man es vor allem aus der südamerikanischen Tangomusik. Die Rede ist vom Bandoneon. Das Harmonikainstrument wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von Heinrich Band aus Krefeld entwickelt. „Eine interessante Geschichte am Rande des Tangos“, sagt Klaus Breuninger, Leiter des Solitude-Chors aus Weilimdorf, „dass das wichtigste Tango-Instrument aus Deutschland stammt.“
In einem der beiden Werke, die für die diesjährigen Sommerkonzerte ausgewählt wurden, steht der Tango und damit das Bandoneon im Mittelpunkt. In der „Misa Tango“ von Martin Palmeri übernimmt es die Rolle des Soloinstruments. Die Bandoneon-Spielerin Karin Eckstein zeigt, welche klangliche Bandbreite im Bandoneon steckt, wenn sie die vielen Facetten des liturgischen Messetextes herausarbeitet. Dazu zählen der Kreuztod Jesu Christi, die Freude über die Auferstehung und die Bitte um Frieden. „Man merkt deutlich, dass Palmeri aus Buenos Aires stammt. Wie er den Tango, den besonderen Klang des Bandoneons und den lateinischen Messetext miteinander verknüpft, ist hörenswert“, erklärt Breuninger. Als Vokalsolistin tritt in Misa Tango die armenische Sopranistin Seda Amir-Karayan auf.

Mit dem zweiten Werk des Konzertabends, der Komposition „Mass“, schuf der Komponist Steve Dobrogosz ein sakrales Werk, das ihm zum Durchbruch in der Crossover-Musikszene verhalf. Er kombiniert verschiedene Jazzstile sowie moderne Klassik- und Rockelemente mit dem Text der lateinischen Messe und bietet damit einen einzigartigen, neuen Blick auf die bekannte Liturgie. Der studierte Jazzpianist Dobrogosz setzt auf das Klavier als Soloinstrument, das der Pianist Stephan Fink spielen wird. „Eine Jazzmesse ist das Werk jedoch nicht“, betont Breuninger,
Mit der Auswahl bleibt der Solitude-Chor seiner Linie treu, immer wieder Werke auf die Konzertbühne zu bringen, die nur selten auf Spielplänen zu finden sind. Beide Kompositionen werden begleitet vom Kammerorchester Aufstrich.
Konzertkarten gibt es im Vorverkauf unter 0711 / 82 08 69 98 oder im Internet unter www.solitude-chor.de sowie an der Abendkasse.

Zwei Tage harte Arbeit – Konzertvorbereitung des Solitude-Chors

Noch bleibt den Sängerinnen und Sängern des Solitude-Chors Weilimdorf etwas Zeit, um alle Feinheiten der Werke „Misa Tango“ von Martin Palmeri und „Mass“ von Steve Dobrogosz zu durchdringen.

Beim Probenwochenende am 16. und 17. Juni im Cubus in Feuerbach forderte Chorleiter Klaus Breuninger seinem Ensemble einiges ab – der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Die Konzerte finden am 7. und am 8. Juli statt.

„Das grenzt an Anarchie.“ Um einen lockeren Spruch ist Klaus Breuninger, Leiter des Solitude-Chors, nie verlegen. Insbesondere dann nicht, wenn die Stimmen seines Ensembles mehr Eigendynamik entwickeln, als vom Dirigenten vorgesehen. Beim Probenwochenende am 16. und 17. Juni im CUBE in Feuerbach hatte Breuninger mehrfach Gelegenheit, sein Ensemble rhetorisch zu unterhalten und zugleich auf Fehler hinzuweisen. Der studierte Kapellmeister ist konsequent im Detail und hartnäckig hinsichtlich des Ergebnisses. Mehrmals hämmert er eine Stakkatopassage am Keyboard vor – bis seine Sänger den Einsatzton zum richtigen Zeitpunkt erwischen. „Nicht erst Luft holen, sondern gleich mit einem Sechzehntel einsteigen“, lautet seine Anweisung. Kein Zweifel, bereits am Samstagvormittag, dem Auftakt des Probenwochenendes, wird hart gearbeitet.

Zwei Messen studiert der Chor zurzeit ein. Ihr Aufbau ist klassisch, ihre musikalische Umsetzung modern, denn sowohl „Misa Tango“ von Martin Palmeri als auch „Mass“ von Steve Dobrogosz sind zeitgenössische Kompositionen. Doch erschrecken muss vor den Begriffen „zeitgenössisch“ und „modern“ niemand. Schräge Harmonien, eigenwillige Tonfolgen und gewöhnungsbedürftige Klangmuster findet man bei Palmeris und Dobrogoszs Interpretationen der Messe-Liturgie nicht.

Martin Palmeri hat den Tango als Leitthema aufgegriffen und mit den typischen Elementen einer Messe musikalisch verwoben. Rhythmisch, emotional, leidenschaftlich – Tango eben. Steve Dobrogoszs „Mass“ zu beschreiben, fällt deutlich schwerer. Dirigent Klaus Breuninger erklärt das Werk seinem Ensemble während der Probe folgendermaßen: „Als Jazzmusiker liebt Dobrogosz Töne, bei denen man sich zuerst fragt, wo sie eigentlich hinführen sollen. Und dann löst sich alles in wunderschönen Klängen auf.“ Mass ist keine Jazzmesse, doch der Komponist steht zu seinem Faible für diese Musik.

Am Samstag, 7. Juli, um 19.00 Uhr präsentiert der Solitude-Chor die beiden Werke in der Salvator-Kirche im Giebel. Einen Tag später tritt der Chor zur gleichen Zeit in der katholischen Kirche St. Maria in der Tübinger Straße 39 in Stuttgart auf. Unterstützt wird er vom Kammerorchester Aufstrich, der Sopranistin Seda Amir-Karayan, der Bandoneon-Spielerin Karin Eckstein und dem Pianisten Stephan Fink. Karten gibt es im Vorverkauf unter 0711 / 82 08 69 98 oder www.solitude-chor.de und an der Abendkasse.