(RED) 2018 begann die bislang erfolgreich verlaufende Sanierung der Oswaldkirche, 2019 ist der Kirchturm an der Reihe. Das Gerüst ragt bis in die Turmspitze – denn auch der Mast mit dem Nordpfeil und der „Gockler“ müssen einer Sanierung unterzogen werden. Die alten Unterlagen der Kirchengemeinde zeigten auf, dass mindestens 1934 in der Turmkugel eine „Zeitdose“ deponiert wurde.
Am 4. Juli 2019 um 13 Uhr, bei bestem Sommerwetter und wunderbarer Fernsicht, machten sich die beauftragten Handwerker im Beisein von Pfarrer Hartmut Häcker, Kirchenpfleger Robin Meissner und seine Mitarbeiterin Andrea Stemmer, sowie geladene Pressevertreter daran, die Kugel zu öffnen. Eine partiell verschweisste Abdeckung an der Südostseite wies den Weg in das Innere, in dem sich – wie vermutet – eine Handrolle aus Metall befand – eingeprägt die Kennzeichnung „FLASCHNRMSTR Ernst Benzinger & Söhne. 4. Sept. 1934“. Ein Einschussloch, wohl aus dem zweiten Weltkrieg stammend, hatte die Rolle allerdings beschädigt – doch nach dem erfolgreichen Öffnen mit der Blechschere konnten die Dokumente in einem guten Zustand geborgen werden. Der Einschuss hatte zwar auch die Papiere beschädigt, jedoch nicht in Brand gesetzt:
„Den Turmstiefel samt Kugel und Gogel repariert und durch Kupfer erneuert am 1. September 1934. Durch die Herren Flaschnermeister Ernst Benzinger & Söhne, Stg. Weilim Dorf“, war zu lesen. Auch die Zimmerleute haben sich verewigt: „Ausführungen der Zimmerarbeiten durch die Firma Alt, Raith u. Widmer. (…) September 1934.“
Sehr interessant die Abschrift der 1934 im Zuge der damaligen Sanierung vorgefundene Urkunde vom 28. Juli 1725. Diese wurde 1934, weil wohl beschädigt oder evtl. in ein Museum gegeben, mit einer Abschrift neu aufgesetzt. Diese Urkunde wurde vor 294 Jahren vom Obervogt zu Cannstatt, Herr von Gillnitz, und vielen anderen gezeichnet. Diese Urkunde weist nach, dass ein schwerer Sturm den Kirchturm wie „Gockler“ beschädigt hat und eine Sanierung durchgeführt wurde. 1934 wurde ein zweiseitiges, mit Schreibmaschine getipptes Schreiben beigefügt, dass auch 1870 eine Sanierung von Turm und „Gockler“ durchgeführt wurde – hierzu fanden sich allerdings keine Dokumente. Überraschend das klappern am Kapselboden: es fanden sich Münzen, wie z.B. Reichsmark sowie geprägte Münzen aus dem Jahr 1791.
Die Dokumente werden nun im Pfarramt wie in der Kirchenpflege gesichtet, neu abgefasst – und wohl eine neue Beschreibung über das Jahr 2019 verfasst, welche in einer neuen „Zeitkapsel“ in die Turmkugel gegeben werden. Hochgerechnet dürfte die nächste Sanierung demnach in ca. 80 Jahren und damit um das Jahr 2.100 herum erfolgen. Was dann wohl die Nachwelt über unsere Zeit hier vorfindet?